Störungen

Störungen sind Flächen, an denen sich zwei Gesteinsschollen gegeneinander bewegt haben. Die Füllung des Oberrheingrabens ist durch eine Vielzahl von Störungen gekennzeichnet. Gelegentlich kann man die Störungen, wie auf dem folgenden Foto, direkt beobachten.

Abb 1: Fotografie der ehemaligen Tongrube der Hourdiswerke am östlichen Rande des Oberrheingrabens nahe Baden-Baden mit Blickrichtung nach Norden. Im Hintergrund rechts erkennt man den steilen Anstieg zum Schwarzwald (Grabenschulter), der hier aus Gesteinen des Buntsandsteins besteht (Foto vom November 1972, aus Illies 1974). Der Bagger hat Tonmergel der Pechelbronner Schichten (Unter-Oligozän) für die Ziegelherstellung glatt abgezogen. Man kann helle und dunkle Schichten erkennen, die generell schräg nach links (Westen) zur Grabenmitte hin einfallen. An einigen Stellen verspringen die Schichten stufenartig einige Meter tiefer. Diese Sprung-Stellen nennt man Störungen. Die Tonschichten wurden ursprünglich horizontal geschichtet abgelagert. Durch die Einsenkung des Grabens und Hebung der Grabenschultern wurden die Tonschichten gekippt und sind entlang der Störungen in einzelne Schollen zerbrochen.

 

Die Pechelbronner Schichten auf dem obigen Foto gehören zu den ältesten tertiären Gesteinen im Oberrheingraben und liegen in der Grabenmitte oft 2 bis 3 Kilometer tief unter der Oberfläche. Hier am Rand des Grabens liegen diese Schichten an der Erdoberfläche. Die östliche Hauptstörung des Grabens liegt gerade 50 m rechts außerhalb des Bildes.

Die Tongrube ist jetzt ein geologisches Naturdenkmal im Regierungsbezirk Karlsruhe. (Ehemalige Tongrube "Schweigrother Matten", Baden-Baden-Oos, Topographische Karte Blatt 7215 Baden-Baden, Gauß-Krüger-Koordinaten R 3441700, H 5404800).

 

Reflexions-seismisches Profil

Im unmittelbaren Bereich dieser Tongrube und weiter in Richtung Grabenmitte wurde 1972 im Auftrag der Bäder- und Kurverwaltung Baden-Baden von der Firma Prakla-Seismos ein reflexions-seismisches Profil nach der Vibroseis-Methode erstellt. Große Vibratoren, die auf mehreren LKW montiert sind, senden dabei Schallwellen in den Untergrund. An Stellen, wo unterschiedlich dichte Gesteine aneinanderstoßen, werden die Schallwellen zurück zur Erdoberfläche gesendet (reflektiert), wo man sie mit vielen Mikrofonen (Geophonen) empfängt. Aus den Daten werden Bilder berechnet, die den Schichtaufbau des Untergrundes in einem Querschnitt darstellen.

Abb. 2: Reflexions-seismischer Profilschnitt vom östlichen Grabenrand bei Baden-Baden in Richtung Grabenmitte (nach Erlinghagen & Dohr 1974). Die farbig eingezeichneten Strukturen sind Interpretationen des seismischen Bildes: gelb: Schichtflächen, blau: Störungen, rote Pfeile: Bewegungsrichtung der Störungen.

 

Bei dieser Methode kann man die Tiefenlage der Ergebnisse aus der Laufzeit der Schallwellen und der Schallgeschwindigkeit abschätzen. Eine Laufzeit von zwei Sekunden entspricht hier einer Tiefe von etwa 3,5 Kilometer. Der Schall hat eine Strecke von 3,5 km herunter und 3,5 km wieder herauf zurückgelegt und dabei eine Zeit von 2 s gebraucht. Die mittlere Schallgeschwindigkeit beträgt demnach 3.500 m/s. Da sich die Schallgeschwindigkeit in unterschiedlichen Gesteinen ändert, gilt diese Tiefenzuordnung nicht streng.

Im seismischen Profilschnitt (Abb. 2) können in der linken Hälfte herunter bis zu 2 Sekunden Laufzeit lange durchhaltende Schichten erkannt werden, die in Richtung Grabenmitte schräg einfallen. Das ist das Abbild der gut geschichteten Füllung des Oberrheingrabens. Da im Bereich dieses seismischen Profils eine Tiefbohrung liegt, können die seismische Schichten (Reflektoren) mit geologischen Schichten verknüpft und so benannt werden. Diese Schichten sind gelb markiert und mit Großbuchstaben bezeichnet. An Stellen, wo diese Schichten sprunghaft versetzt werden, kann man Störungen (blau) mit der zugehörigen Bewegungsrichtung (rot) einzeichnen. Die östliche Hauptstörung des Oberrheingrabens ist hier mit "b" bezeichnet. Sie fällt mit ungefähr 60° schräg ein. Begleitet wird diese Hauptstörung von einer kleineren parallelen Störung "c" mit gleichem Bewegungssinn. Zwei weitere kleinere Störungen "d1" und "d2" mit entgegengesetztem Bewegungssinn (antithetisch) bilden mit der Hauptstörung eine typische y-förmige Struktur.

 

Typische Störungen der gedehnten Erdkruste

Der Oberrheingraben ist entstanden, weil die Erdkruste stark auseinander gezerrt wurde. Solch eine Dehnung hinterlässt typische Störungen im Gestein (Abb. 3).

Abb. 3: Schematischer Querschnitt durch gedehnte Erdkruste, ohne Maßstab.

Übersteigt die Dehnung ein Mindestmaß zerbricht das Gestein an verschiedenen Störungsflächen. Es bildet sich eine Hauptabschiebung, die an der Oberfläche oft um 65° geneigt steil einfällt und zur Tiefe hin flacher wird. Eine Störung, die mit der Tiefe flacher einfällt, nennt man listrische Störung. Das Gestein unter der Hauptabschiebung ist die Liegendscholle. Sie wird etwas zurückgekippt, aber sonst meist nicht weiter deformiert. Über der Hauptabschiebung liegt die Hangendscholle. Sie wird durch weitere Störungen zerteilt. Kleinere Störungen parallel zur Hauptabschiebung und mit gleichem Bewegungssinn nennt man synthetische Abschiebungen. Fällt die Störung entgegen zur Hauptabschiebung ein, so nennt man sie antithetische Abschiebung. Durch das unterschiedliche Absinken der Gesteinsschollen oberhalb der Hauptabschiebung entsteht an der Oberfläche eine keilförmige Senke, die mit Sedimenten aufgefüllt wird, ein sogenannter Halbgraben. Das Einkippen der Hangendscholle in Richtung auf die Hauptabschiebung nennt man antithetische Flexur. Der in der Abbildung markierte grüne Leithorizont, in der Natur eine deutlich erkennbare Gesteinsschicht, lag vor der Dehnung horizontal. Jetzt zeigt der Leithorizont deutlich die unterschiedlichen Verschiebungen in den einzelnen Bruchschollen an.

Das obige Szenario ist eine idealtypische Darstellung aller Störungsphänome eines Dehnungssystems, die wohl nur selten in ihrer Gesamtheit in der Natur vorkommt. Auch im Oberrheingraben sind von Ort zu Ort nur einzelne dieser Elemente zu beobachten. Dies trifft auch deshalb zu, weil der Oberrheingraben im Laufe seiner Geschichte nicht nur gedehnt wurde, sondern auch anderen Deformationen ausgesetzt war.

Der Oberrheingraben
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