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Die Genese der Leptinite und Paragneise zwischen Nordrach und Gengenbach im mittleren Schwarzwald


8. Metamorphose-Entwicklung

Die Gesteinszusammensetzung ist neben Druck und Temperatur der wichtigste kontrollierende Faktor für die Bildung metamorpher Minerale. Die A'KF-, AFM- und ACF-Diagramme (Abb. 46) zeigen, welche Mineral-Paragenesen möglich sind.

Die Metamorphose-Entwicklung der untersuchten Gesteine kann auf Grund von Reaktionstexturen in drei aufeinander folgende Stadien unterteilt werden:

(1) ein frühes druckbetontes Stadium,
(2) ein Druckentlastungs-Zwischenstadium und
(3) ein statisches Cordieritisierungs-Stadium.

 

8.1 Frühes druckbetontes Stadium

Kennzeichnendes Mineral dieser ältesten nachweisbaren, druckbetonten Metamorphose-Phase ist der Kyanit. Er wird von allen späteren Ereignissen überprägt (Spinell-Coronen, Pseudomorphosierung zu Sillimanit, Cordieritisierung). Für die anderen Minerale, die in diesem frühen Stadium eine Paragenese mit dem Kyanit bildeten, gibt es keine eindeutigen Kriterien. Hinweise liefern aber die seltenen Einschlüsse in den Dist-Sillimaniten (Kyanit-Pseudomorphosen): Es wurde Granat mit Rutileinschlüssen (Abb. 47b) und Biotit beobachtet. Solche Einschlüsse belegen aber nur eine Paragenese zur Zeit des Wachstums des Kyanits. Der Biotit könnte also im weiteren, prograden Verlauf des Kyanit-Wachstums instabil geworden sein. Kyanit wurde in den Leptiniten nicht nachgewiesen. Wahrscheinliche Sillimanit-Pseudomorphosen nach Kyanit, geobarometrische Daten (siehe unten) und das Vorkommen von Kyanit in unmittelbar benachbarten Paragneisen machen aber auch in den kalifeldspatreichen Leptiniten die ehemalige Kyanit-Führung sicher. Aus der Paragenese Kyanit + Kalifeldspat folgt, dass Muskovit in diesem Stadium nicht mehr stabil war.

Der Vergleich mit einphasig metamorphen, Kyanit führenden Paragneisen und Leptiniten anderer Gebiete lässt deshalb folgende Paragnese möglich erscheinen:

Granat + Kyanit + Hypersolvus-Feldspäte + Quarz ± Biotit.

Dies ist eine typische granulitfazielle Paragenese.

Aus dem Raum des oberen Kinzigtales sind Hochdruckgesteine (Eklogite und Gesteine mit intermediärem Chemismus) bekannt, für deren Genese Drücke um 15 kbar notwendig sind (WIMMENAUER & STENGER 1989: 110ff). Unter der Annahme, dass die Anorthit-Komponente der biotitarmen Leptinite während diesem Stadium in einem Hypersolvus-Alkalifeldspat gelöst war, ergibt sich aus dem Grossular-Gehalt der Granat-Zentren für die Metamorphite von Nordrach-Gengenbach ein ähnlich hoher Druck (siehe GPAQ-Geothermobarometer, Abschnitt 10.5).

Um beurteilen zu können, ob die untersuchten Gesteine früher als Hochdruck-Metamorphite vorlagen, soll nun kurz beleuchtet werden, welche Paragenese solche Gesteinen aufweisen, in welchem geologischen Kontext sie auftreten und wie groß die Chancen sind, dass Hochdruck-Relikte bei einer späteren metamorphen Überprägung unter niedrigeren Drücken erhalten bleiben.

Abb. 46: ACF- und A'KF-Diagramme und AFM-Projektion durch Kalifeldspat und Lage der Gesteinsanalysen. Die Diagramme sollen die vom Gesteinschemismus her möglichen metamorphen Paragenesen aufzeigen. Abkürzungen: SIL = Sillimanit, KYA = Kyanit, PLG = Plagioklas, COR = Cordierit, GNT = Granat, HGL = Hellglimmer, KFS = Kalifeldspat, BIO = Biotit, SPI = Aluminat-Spinell. Alles Fe wurde als FeO berechnet


HEINRICH (1982) konnte an Gesteinen der Adula-Decke (Ost-Alpen) zeigen, wie eine Gesteinsserie aus Metapeliten und vereinzelten Metabasiten als Folge von Subduktion während der Oberkreide unter die Bedingungen einer Blauschiefer/Eklogit-Fazies versenkt wurde. Anschließend wurden diese Gesteine im Tertiär von einer Barrow-Typ Metamorphose erfasst. An wenigen, von der zweiten Metamorphose geschonten Stellen sind dort neben den gut reliktisch erhaltenen Eklogit-Linsen auch Hochdruck-Metapelite erhalten geblieben. Es handelt sich dabei um plagioklasfreie Granat-Kyanit-Paragonit-Phengit-Schiefer. Bei beginnender amphibolitfazieller Überprägung wuchsen nun kleine Körner von Biotit, Albit und Muskovit zwischen den Hochdruck-Mineralen der Metapelite. An anderen Stellen kann die ehemalige Existenz von Hochdruck-Paragenesen durch Corona- und Pseudomorphosen-Texturen belegt werden: In einem ehemaligen Hochdruck-Metapelit mit der Paragnese Quarz + Granat +Hellglimmer + Omphacit kam es so zur Bildung von Amphibol-Plagioklas-Symplektiten (nach Omphacit) und Plagioklasen mit zahllosen, parallel orientierten Biotit-Einschlüssen und Kalifeldspat-Saum (Pseudomorphosen nach Hellglimmer). HEINRICH fasste den Übergang von der Eklogitfazies zur Amphibolitfazies an Hand von zwei Hauptreaktionen zusammen:

(1) Phengit + Granat => Muskovit + Biotit + Feldspäte + Quarz + Wasser,
(2) Paragonit + Quarz => Albit + Kyanit + Wasser.

Das dabei freiwerdende Wasser und die relativ geringe mechanische Festigkeit der Metapelite bewirkten, dass die amphibolitfazielle Überprägung (Metamorphose und Deformation) in den Hochdruck-Metapeliten in der Regel viel schneller und kompletter ablief als in den steifen Eklogiten, die bei der Umwandlung in Amphibolite Wasser von außen zugeführt bekommen müssten. Dieses Verhalten erklärt, dass Eklogite oft von niedriggradigen Metapeliten eingeschlossen werden. Die besten Chancen, Relikte von Hochdruck-Metapeliten zu finden, hat man deshalb im Druckschatten von Eklogit-Linsen oder in Metabasit-Metapelit-Wechsellagerungen.

Im Raum Nordrach-Gengenbach tritt nur ein kleiner Amphibolit-Körper auf. Für dieses stark amphibolitfaziell überprägte Gestein ist ein früheres Eklogit-Stadium anzunehmen (Kap. 6). Die Kontakte des Amphibolit-Körpers sind nicht aufgeschlossen.

Eklogitfazielle Gneise mit einem wenig verbreiteten, intermediären Chemismus sind aus West-Norwegen bekannt. KROGH (1980) erwähnte die Hochdruck-Paragenese Granat ± Klinopyroxen + Plagioklas + Kalifeldspat + Quarz ± Kyanit. Dort traten auch Klinopyroxen-Plagioklas-Symplektite nach Omphacit und frischer Omphacit als Einschluss in Granat auf. Andere Granate führten Phengit als Einschluss. KROGH betonte, dass der Gesteinschemismus der meisten Gneise ungeeignet sei, eine charakteristische Hochdruck-Paragenese zu ermöglichen.

In den Paragneisen und Leptiniten von Nordrach wurden keine Reaktionstexturen oder Pseudomorphosen gefunden, die die ehemalige Existenz eines jadeitischen Klinopyroxens, eines Phengits oder Paragonits nahelegen würden. Dies schließt aber keineswegs ein frühes Hohdruck-Stadium aus. Zu groß sind bislang die Unsicherheiten in der Deutung des amöboiden Gefüges der biotitarmen Leptinite, der Rekonstruktion der Feldspat-Phasen und von deren Solvi, und dem Diffusionsverhalten von Granat, als dass sichere Aussagen möglich wären.

 

8.2 Druckentlastungs-Zwischenstadium

In diesem Abschnitt werden alle metamorphen Reaktionen zusammenfasst, die zwischen dem Kyanit-Stadium und der durchgreifenden Cordieritisierung liegen.

Nach der Metamorphose unter hohen Drucken muss ein Aufstieg erfolgt sein, der letztendlich die Gesteine an die heutige Oberfläche verfrachtet hat. Dieser Aufstieg beginnt mit Reaktionen, die den Kyanit als ältestes Relikt verändern, aber noch nicht zu einer umfassenden Cordieritisierung führen. Die Gesteine im Süden und Südwesten des Arbeitsgebiets sind von der nachfolgenden, statischen Cordieritisierung nur relativ schwach betroffen, so dass sie die Paragenesen des Zwischenstadiums noch deutlich zeigen. Näher untersucht wurden die Proben 17 = Hochkopf, 346a = Schönberg und 352a = Bitzfeld. Die letzten beiden liegen außerhalb des engeren Arbeitsgebiets (vgl. Abb. 3).

Folgende Reaktionstexturen, die typisch sind für die Retromorphose von Hochdruck-Granuliten (PIN & VIELZEUF 1983: 51f), belegen dieses Stadium:

(1) Sillimanit-Pseudomorphosen nach Kyanit ("Dist-Sillimanit").
(2) Spinell-produzierende Reaktionen:

a) relativ gröbkörnige Spinell ± Cordierit-Corona um Kyanit mit äußerer Plagioklas-Corona (Abb. 47c), vielleicht zurückgehend auf die ehemalige Reaktion Granat + Al2SiO5 = Spinell + Quarz (jetzt kein Spinell-Quarz-Kontakt mehr vorhanden).
b) feinstkörnige Cordierit-Spinell-Symplektit-Corona um Kyanit mit äußerster Plagioklas-Corona (Abb. 47f) nach Reaktionen c und d.
c) Granat + Al2SiO5 = Spinell + Cordierit, siehe Abb. 47a,b.
d) Biotit + Al2SiO5 = Spinell + Cordierit + Ilmenit, siehe Abb. 47b.
e) Diaspor-Spinell-Cordierit-Coronen um Kyanit mit äußerer Plagioklas-Corona, siehe Abb. 47e.

Das Kennzeichen dieser Phase ist das Erscheinen von Spinell und der äußeren Plagioklas-Coronen um Kyanit. Die Plagioklas-Coronen sind wahrscheinlich das Produkt der Endglieder-Reaktion Anorthit = Grossular + Al2SiO5 + Quarz, die bei Druckentlastung nach links abläuft. Für die realen Mischkristalle bedeutet diese Endgleider-Reaktion, dass der Grossular-Gehalt im Granat reduziert wird und Alkalifeldspat und Matrix-Plagioklas albitärmer werden, da Albit für die Kombination mit dem entstehenden Anorthit benötigt wird. Fast alle noch erhaltenen Kyanit-Kristalle werden von solchen Plagioklas-Coronen gepanzert. Ob der Cordierit der obigen Reaktionen wirklich schon in diesem Zwischenstadium gebildet wurde, ist nicht ganz sicher. Er könnte auch erst später entstanden sein. In Gesteinen, die von der nachfolgenden, statischen Cordieritisierung stärker betroffen wurden, zeugen Relikte von Spinell-Coronen, eingeschlossen in Cordierit, vom ehemaligen Zwischenstadium.

Die von einer Plagioklas-Corona gepanzerten Phasen stellen, falls der Plagioklas sie wirksam vom übrigen Gestein isoliert hat, ein SiO2-untersättigtes Teilsystem dar. HARRIS (1981) beschrieb, zu welchen Reaktionen es in einem solchen System kommen kann. Unter anderem reagieren dort z.B. Spinell + Sillimanit zu Cordierit + Korund (vgl. obige Reaktionstextur e). Eindeutig zu belegen sind solche Reaktionen in den untersuchten Gesteinen allerdings nicht.

Abb. 47a: Reaktionstextur: Granat + Al2SiO5-Mineral = Spinell + Cordierit.

Paragneis-Probe 17, Hochkopf. Abk.: QRZ = Quarz, COR = Cordierit, BIO = Biotit, GNT = Granat, SPI = Spinell, DIS-SIL = Dist-Sillimanit (=Pseudomorphose nach Kyanit)


Abb. 47b: Reaktionstexturen:

1 Biotit + Al2SiO5-Mineral = Spinell + Cordierit + Ilmenit

2 Granat + Al2SiO5-Mineral = Spinell + Cordierit

Paragneis-Probe 17, Hochkopf. Abk.: QRZ = Quarz, COR = Cordierit, BIO = Biotit, GNT = Granat, SPI = Spinell, ILM = Ilmenit, RUT = Rutil, DIS-SIL = Dist-Sillimanit (=Pseudomorphose nach Kyanit)


Abb. 47c: Reaktionstextur: Spinell-Plagioklas-Corona um Kyanit

Paragneis-Probe 17, Hochkopf. Abk.: QRZ = Quarz, KYA = Kyanit, SPI = Spinell, PLG = Plagioklas


Abb. 47d: Reaktionstextur: Wegen kinetischer Probleme ist nur auf der Seite ein Spinell-Saum um Kyanit gewachsen, die der Biotit-Cordierit-Ilmenit-Strähne zugewandt ist.

Paragneis-Probe 17, Hochkopf. Abk.: PLG = Plagioklas, QRZ = Quarz, COR = Cordierit, BIO = Biotit, GNT = Granat, SPI = Spinell, KFS = Kalifeldspat, KYA = Kyanit, ILM = Ilmenit


Abb. 47e: Reaktionstextur: Komplexe Corona mit Cordierit, Spinell, Biotit, Ilmenit und Diaspor um eine Kyanit-Pseudomorphose aus Sillimanit und Andalusit mit einer äußeren Plagioklas-Corona

Paragneis-Probe 17, Hochkopf. Abk.: PLG = Plagioklas, QRZ = Quarz, COR = Cordierit, BIO = Biotit, SPI = Spinell, SIL = Sillimanit, AND = Andalusit, ILM = Ilmenit, DIA = Diaspor


Abb. 47f: Reaktionstextur: Dichte Cordierit-Spinell-Symplektit-Corona um Kyanit. Anschließend gröber körniger Spinell und Cordierit.

Paragneis-Probe 17, Hochkopf. Abk.: COR = Cordierit, SPI = Spinell, KYA = Kyanit


Abb. 47g: Reaktionstextur: Um Granat ist eine innere Cordierit-Corona mit einem Sillimanit-Einschluss und eine äußere Corona aus Quarz-Cordierit-Symplektit entwicklet. Der Quarz-Cordierit-Symplektit ist nur gegenüber Kalifeldspat, nicht gegenüber Quarz entwickelt. Reaktion: Granat + Kalifeldspat + (Sillimanit) = Corderit +Quarz + (Muskovit).

Biotitreicher Leptinit 274, Lampertskopf. Abk.: BIO = Biotit, KFS = Kalifeldspat, GNT = Granat, COR = Cordierit, PLG = Plagioklas, QRZ = Quarz, QRZ-COR-SYM = Quarz-Cordierit-Symplektit, SIL = Sillimanit


Abb. 47h: Reaktionstextur: Seltene Cordierit-Corona ohne Spinell um Kyanit. Reaktion: Biotit+Kyanit = Cordierit + Kalifeldspat

Paragneis-Probe 16, Hochkopf. Abk.: COR = Cordierit, BIO = Biotit, KYA = Kyanit


Abb. 47i: Reaktionstextur: Quarz-Cordieit-Symplektit-Coronen sind nur um Granat, aber nicht um Al2SiO5-Minerale entwickelt. Dies kennzeichnet Granat als Edukt der Quarz-Cordieit-Symplektite.

Paragneis-Probe 16, Hochkopf. Abk.: COR = Cordierit, BIO = Biotit, GNT = Granat, DIS-SIL = Dist-Sillimanit (=Pseudomorphose nach Kyanit), QRZ-COR-SYM = Quarz-Cordierit-Symplektit


Abb. 47j: Fragliche Reaktionstextur: Muskovit + Quarz = Kyanit + Kalifeldspat

biotitarmer Leptinit 393, Gaishut. Abk.: KFS = Kalifeldspat, DIS-SIL = Dist-Sillimanit (=Pseudomorphose nach Kyanit)


Abb. 47k: Reaktionstextur: Cordierit-Coronen um Granate, die völlig von Biotit eingeschlossen werden.

Paragneis-Probe 17, Hochkopf. Abk.: COR = Cordierit, BIO = Biotit, GNT = Granat


Abb. 47l: Reaktionstextur: Relikte einer feinkörnigen Spinell-Symplektit-Corona, größere barune Spinell-Körner, Sillimanit-Relikte und Ilmenit als Einschlüsse in einem großen Corderit-Korn.

Paragneis 242, Paffenbacher Eck. Abk.: COR = Cordierit, br. SPI = brauner Spinell, SIL = Sillimanit, ILM = Ilmenit


Reaktionstexturen des Zwischenstadiums zeigen oft kinetische Probleme an. Spinell-Coronen um Kyanit sind z.B. nur auf der Seite des Kyanits entwickelt, die Biotit und Granat zugewandt ist (Abb. 47d). Die Seite des Kyanits, die Quarz und Kalifeldspat zugewandt ist, ist frei von einer Spinell-Corona. Dies lässt vermuten, dass der für die Reaktion notwendige Stofftransport nicht über Lösung in einem Fluid erfolgte, sondern durch Feststoff-Diffusion.

Die Zuordnung des recht seltenen, nadeligen bis fibrolithischen Sillimanits zum Druckentlastungs-Zwischenstadium oder zum nachfolgenden, statischen Cordieritisierungs-Stadium ist unsicher, da dieser Sillimanit fast stets serizitisiert ist und deshalb nicht eindeutig genug von pinitisiertem Cordierit zu unterscheiden ist.

 

8.3 Statisches Cordieritisierungs-Stadium

Das letzte, wesentliche metamorphe Ereignis, das die Gesteine um Nordrach-Gengenbach betraf, war eine statische, durchgreifende Cordieritisierung unter niedrigem Druck und hoher Temperatur (LP-HT-Metamorphose, siehe unten). Danach fand lediglich eine lokale, schwache retrograde Überprägung, der Aufstieg bis zur Erdoberfäche und eine bruchhafte Verformung statt. Verschiedene Reaktionen führten zur Bildung von Cordierit. Diese liefen bei verschiedenen p-T-Bedingungen ab. Schon während des Zwischenstadiums wurde wahrscheinlich Cordierit gebildet. Dieser ist aber stets durch eine Plagioklas-Corona vom übrigen Gestein gepanzert und tritt nur in verschwindend kleinen Mengen auf. Das statische Cordieritisierungs-Stadium ist gekennzeichnet durch die Produktion von relativ großen Mengen Cordierit, der nicht in Plagioklas eingeschlossen ist. Petrographisch äußert es sich in:

(1) Cordierit- und Cordierit-Quarz-Symplektit-Coronen um Granat (Abb. 47g,h,i),
(2) Cordierit-Bildung in Biotit-Sillimanit-reichen Teilgefügen,
(3) Cordierit-Coronen um Sillimanit und Kyanit in Quarz-Feldspat-reichen Teilgefügen und
(4) Pseudomorphosen nach Granat aus Cordierit + Biotit + Quarz.

Die Intensität des statischen Cordieritisierungs-Stadiums ist verschieden stark. Durch eine Reihenfolge von vier Paragneis-Proben soll der nach SW schwächer werdende Trend der Cordieritisierung verdeutlicht werden:

(1) In Probe 242 = Pfaffenbacher Eck ist Granat nahezu vollständig in rundliche Pseudomorphosen aus Cordierit umgewandelt.
(2) In Probe 17 = Hochkopf wird Granat stets durch eine Cordierit-Corona von den übrigen Mineralen isoliert (Abb. 47k).
(3) In Probe 346a = Schönberg hat Granat Kontakt zu Cordierit, Biotit und Quarz, aber nicht zu Sillimanit. Ein metablastischer Granat-Biotit-Gneis vom gleichen Ort mit rundlichen Plagioklas-Blasten (Probe 346d = Schönberg mit 60 Gew.-% Plagioklas) ist frei von Sillimanit und Cordierit.
(4) In dem Granat-Sillimanit-Gneis der Probe 352a = Bitzfeld kommt nur sehr wenig Cordierit, Biotit und Plagioklas vor. Einige Granate zeigen viele Rutil- und Graphit-Einschlüsse im Kern, der Granatrand ist reich an siebartigen Quarz-Einschlüssen. Granat hat oft Kontakt zu Sillimanit. Der wenige Biotit könnte retrograd aus Granat gebildet worden sein. Quarz weist eine Tendenz zu Plattenquarzen auf.

In den Proben 17, 346a und 352a, die von der Cordieritisierung nur mäßig betroffen wurden, sind die Spinell-Corona-Strukturen des vorcordieritischen Zwischenstadiums am deutlichsten entwickelt. Im Verlauf der statischen Cordieritisierung wurden diese Corona-Strukturen zerstört und können nur noch gelegentlich als Spinell-Relikte in Cordierit nachgewiesen werden (Abb. 47l).

FLÖTTMANN (1988: 38) beobachtete am Hörnleberg, ca. 30 km südlich von Nordrach, die Plättung von Cordierit in D4 -Faltenschenkeln. Im Raum Nordrach-Gengenbach sind solche Falten sehr selten und frei von Cordierit. In allen hier untersuchten Proben wurde stets nur undeformierter Cordierit beobachtet.

Quarz-Cordierit-Symplektit-Coronen

Diese Coronen treten nur um Granat auf. In Leptiniten sind sie am deutlichsten entwickelt (Abb. 12 u. 17). Dass Quarz Bestandteil dieser Corona ist, wurde mit der Mikrosonde verifiziert. Das schließt aber nicht aus, dass eventuell auch Feldspäte in ähnlichen Coronen beteiligt sind, so wie das HENRY (1974) beschrieb. FEDIUKOVA & FEDIUK (1971: 40f) erwähnten Quarz-Cordierit-Coronen aus böhmischen Weißstein-Granuliten und gaben Literatur weiterer Vorkommen an.

In den Nordracher Leptiniten ist die Corona um Granat meist zweistufig aufgebaut (Abb. 47g). Unmittelbar um den Granat liegt ein Saum aus reinem Cordierit, nach außen folgt dann der Saum aus Quarz-Cordierit-Symplektit. In der Cordierit-Corona finden sich selten kleine Sillimanit-Nadeln. Gelegentlich erkennt man, dass der Symplektit auf Kosten von Kalifeldspat gewachsen

ist (Abb. 47g). Aus dieser Reaktionstextur lässt sich folgende Reaktionsgleichung formulieren:

Granat + Kalifeldspat [+ Sillimanit] = Cordierit + Quarz (+ Muskovit).

Beim Sillimanit ist der Reaktanden-Status nicht eindeutig belegt, die Reaktion ist auch ohne seine Beteiligung möglich. Der Muskovit wurde nicht als Reaktions-Partner beobachtet, ist aber als Kalium aufnehmendes Mineral wahrscheinlich, wenn man darauf verzichten will, K+-Ionen im Fluid gelöst anzunehmen. Muskovit kommt als garbenförmige, retrograde Bildung und Serizit in den Leptiniten vor.

 

9. Fazielle Einstufung

Aus den Paragenesen und den Reaktionstexturen wurde eine polyphase metamorphe Entwicklung abgeleitet. Es soll nun versucht werden, die Phasen faziell zu charakterisieren. Eine metamorphe Fazies ist dabei der Name eines p-T-XH2O-Raums. Dieser kann durch eine geeignete Mineral-Paragenese oder durch geothermobarometrische Analysen bestimmt werden. Sowohl der Weg über Mineral-Paragenesen als auch der über Geothermobarometrie setzt das Vorliegen eines chemischen Gleichgewichts voraus. Eindeutige Kriterien, ob dies verwirklicht ist, gibt es allerdings nicht. Wenn mehrere, voneinander unabhängige Methoden zum gleichen p-T-Ergebnis führen, kann man davon ausgehen, dass Gleichgewichtsbedingungen geherrscht haben.

Das frühe, druckbetonte Stadium ist durch die Paragenese Hypersolvus-Alkalifeldspat (Or50Ab50) + Kyanit gekennzeichnet. Dies ist eine granulitfazielle Paragenese, wie sie zum Beispiel im Sächsischen Granulitmassiv oder in den böhmischen Granuliten verbreitet ist. Die Granulitfazies umfasst einen großen Druckbereich. Es ist für die Genese von Metamorphiten von großer Wichtigkeit, eine festgestellte Granulitfazies nach ihrem Drucktyp näher zu charakterisieren. Dies wird nun etwas erläutert.

 

9.1 Granulitfazies und Granulit-Nomenklatur

Die Granulitfazies wurde von ESKOLA (1939: 360ff) mit einem ACF-Diagramm eingeführt. Sie sei gekennzeichnet durch das Vorkommen von Fe,Mg-Granat statt Biotit. Kalifeldspat zeige feine Mikroperthit-Struktur und Plagioklas sei antiperthitisch. Cordierit und Hornblende fehle echten Granuliten, komme aber in damit verwandten Subfazies vor. ESKOLA benutzte den Gesteinsnamen 'Granulit' für alle granulitfaziellen Gesteine, unabhängig von ihrer Gesteinszusammensetzung. Viele Petrologen schlossen sich dieser Nomenklatur an.

Der Gesteinsname 'Granulit' wird daneben weiterhin im Sinne seiner ursprünglichen Bedeutung für fein- bis mittelkörnige, metamorphe Gesteine benutzt, die hauptsächlich aus Quarz und Feldspat bestehen und denen wasserhaltige Fe,Mg-Silikate meist gänzlich fehlen. Nach MATHE (1985) sind Orthopyroxen, Almandin-betonter Granat und Kyanit und/oder Sillimanit charakteristische Begleitminerale; Spinell, Rutil, Ilmenit und Graphit häufige Übergemengteile dieser leukokraten Gesteine. Ihr Gefüge ist dickschiefrig bis massig, die s-Flächen werden durch linsen- bis diskenförmige Quarzkörner markiert. Dünnschiefrige Typen, deren s-Flächen durch tapeten- oder zeilenförmige Quarze betont werden, wurden früher als die charakteristischen Granulite angesehen, sind heute aber als retrograd überprägte, mylonitisierte Granulite erkannt (BEHR 1961). Sehr helle Typen dieser Granulite werden auch als 'Weißstein' bezeichnet.

Nach TOMKEIEFF (1983) und BATES & JACKSON (1987) wird der Gesteinsname 'Granulit' auch noch für feinkörnigen Muskovit-Granit, für jedes feinkörnige Gestein ohne Foliation und für Sedimente aus Lapilli oder Ooiden verwendet.

Diese Aufstellung macht deutlich, da der Begriff 'Granulit' leicht missverstanden werden kann. Er wird in dieser Arbeit vermieden: die leukokraten Quarz-Feldspat-Metamorphite werden 'Leptinit' genannt, sollen die metamorphen Bedingungen gekennzeichnet werden, werden die Gesteine als 'granulitfaziell' bezeichnet (vgl. zur Nomenklatur Kapitel 4.).

Die ursprüngliche Beschreibung der Granulitfazies durch ESKOLA wurde später verfeinert. Die Wechsellagerung von Gesteinen, die keine wasserhaltigen Minerale führen, mit solchen, die wasserhaltige Minerale führen, und die ausgedehnten Übergangszonen von amphibolitfaziellen zu granulitfaziellen Gesteinen veranlassten DE WAARD (1965, 1966), die Granulitfazies unter Einschluss von wasserhaltigen Mineralen neu zu fassen: in Abhängigkeit vom partiellen Wasserdruck pH2O bildet im Gelände der Orthopyroxen-Isograd (erstes Erscheinen von Orthopyroxen in basischen Gesteinen durch die Reaktion Hornblende + Granat + Quarz = Orthopyroxen + Plagioklas + Wasser) die Grenze zwischen Amphibolit- und Granulitfazies. Das Auftreten der wasserhaltigen Minerale Biotit und Hornblende oder deren Fehlen hängt überwiegend von lokalen, selten von regionalen Variationen von pH2O ab. Die Granulitfazies wurde an Hand von charakteristischen Paragenesen in drei Drucktypen unterteilt: Niedrigdruck-, Mitteldruck- und Hochdruck-Granulitfazies (DE WAARD 1965, RINGWOOD 1975). Diese Unterteilung der Granulitfazies darf nicht mit der Gliederung von Faziesserien in die Drucktypen Niedrigdruck(LP)-, Mitteldruck(MP)- und Hochdruck(HP)-Faziesserie von MIYASHIRO (1973) verwechselt werden. Die drei Teile der Granulitfazies gehören in die LP- und MP-Faziesserie.

Die Unterteilung der Granulitfazies in drei Drucktypen geschah vorwiegend an Hand von charakteristischen Paragenesen in Meta-Basalten (und Metamorphiten ähnlicher Zusammensetzung). In Meta-Peliten (und ähnlichen Gesteinen) bilden sich nicht so charakteristische Paragenesen, so dass in diesen Gesteinen eine Unterscheidung von der obereren Amphibolitfazies schwierig ist. In etwa sollten sich die Paragenesen in den beiden Gesteinstypen wie in der folgenden Tabelle entsprechen.
  Meta-Basalte Meta-Pelite
Niedrigdruck-Granulitfazies Olivin + Plagioklas stabil Cordierit + Almandin stabil
Mitteldruck-Granulitfazies Orthopyroxen + Plagioklas stabil, Olivin + Plagioklas nicht mehr stabil Granat + Sillimanit + Kalifeldspat stabil, Cordierit nicht mehr stabil
Hochdruck-Granulitfazies Klinopyroxen + Granat + Plagioklas + Quarz stabil, Orthopyroxen + Plagioklas nicht mehr stabil Granat + Kyanit + Kalifeldspat stabil, Sillimanit nicht mehr stabil

Bei noch höheren Drücken folgt auf die Hochdruck-Granulitfazies die Eklogitfazies. In Meta-Basalten ist dann Omphacit + Granat stabil und Plagioklas nicht mehr. Da im Arbeitsgebiet Gesteine mit basischer Zusammensetzung weitgehend fehlen soll hier diese Gliederung an Hand von metapelitischen und leptinitischen Paragenesen detaillierter erläutert werden.

Gesteine mit aluminiumreicher, pelitischer Zusammensetzung haben unter Bedingungen der Niedrigdruck-Granulitfazies nach den ACF-A'FK-Dreiecken aus DE WAARD (1966: 488) folgende Paragenese: Cordierit + Granat + Kalifeldspat + Plagioklas + Quarz ± Biotit ± Sillimanit. Diese Paragenese bildet die Reaktion Biotit + Sillimanit + Quarz = Granat + Cordierit + Kalifeldspat ab. Bei noch niedrigeren Drücken (Pyroxen-Hornfelsfazies = Kalifeldspat-Cordierit-Hornfelsfazies) verschwindet Granat aus der Paragenese. Metapelite zeigen dann die Paragenese: Cordierit + Orthopyroxen + Plagioklas + Kalifeldspat + Quarz ± Biotit ± Sillimanit. Bei sehr hohen Temperaturen oder niedrigen Wasserdrücken (Pyroxen-Granulitfazies) reagieren Biotit und Sillimanit vollständig, so dass neben Quarz nur Cordierit + Granat + Plagioklas + Kalifeldspat stabil ist. Die Koexistenz von Cordierit und Granat ist aber noch kein hinreichendes Kriterium für Niedrigdruck-Granulitfazies. Bei ähnlichen Drücken, aber niedrigeren Temperaturen oder höheren Wasserdrücken ist unter amphibolitfaziellen Bedingungen bei kaliumarmen Zusammensetzungen die Paragenese Cordierit + Granat + Biotit + Plagioklas + Quarz, aber ohne Sillimanit und Kalifeldspat, oder Granat + Cordierit + Anthophyllit + Quarz möglich.

Zu höheren Drücken (Mitteldruck-Granulitfazies) verschwindet Cordierit nach der Reaktion Cordierit = Granat + Sillimanit + Quarz aus den Gesteinen. Metapelite zeigen dann die Paragenese: Granat + Sillimanit + Kalifeldspat + Plagioklas + Quarz ± Biotit.

Der Wechsel von der Mitteldruck-Granulitfazies zur Hochdruck-Granulitfazies entspricht in Metapeliten in etwa dem Wechsel von Sillimanit zu Kyanit, d.h. Metapelite unter Hochdruck-Granulitfazies zeigen die Paragenese Granat + Kyanit + Kalifeldspat + Plagioklas + Quarz ± Biotit. Der Kalifeldspat dieser Modell-Paragenese erscheint in realen Gesteinen geeigneter Zusammensetzung als Meso-Perthit (Hypersolvus-Alkalifeldspat Or50Ab50). Dieser Feldspat ist auf granulitfazielle Gesteine beschränkt, sein p-T-Stabilitätsfeld ist allerdings nur ungenau bekannt.

Unter sehr hohen Drücken, hohen Temperaturen und einer selten gegebenen Zusammensetzung kann die eklogitfazielle Paragnese Granat + Kyanit + Omphacit + Kalifeldspat + Quarz ± Biotit erreicht werden (KROGH 1980).

Für Granulite wird ein niedriger partieller Wasserdruck pH2O gefordert, da die häufige Paragenese Quarz + Plagioklas + Kalifeldspat in Granuliten keine Schmelzerscheinungen zeigt und wasserfreie Minerale dominieren. Bei den hohen granulittypischen Temperaturen von 650 - 850 °C würden bei

pH2O = pLast diese Gesteine zu einem Großteil schmelzen. Bei pH2O<< pLast sind insbesondere bei hohen lithostatischen Drücken erhöhte Temperaturen für den Schmelzbeginn notwendig, und das Temperatur-Intervall bis zur vollständigen Aufschmelzung ist viel größer (Schmelzversuche mit trockenem Muskovit-Granit von HUANG & WYLLIE 1973). Das niedrige pH2O kann durch das Fehlen eines Fluids oder durch die Beteiligung anderer Komponenten (CO2 und CH4) am Fluid bedingt sein. Auf die chemischen Besonderheiten granulitfazieller Gesteine wurden schon im Kapitel 4. eingegangen.

 

9.2 Fazielle Einstufung der untersuchten Gesteine

Das frühe, druckbetonte Stadium der Nordrach-Gengenbacher Metamorphite mit der Paragenese Granat + Kyanit + Hypersolvus-Feldspäte + Quarz ± Biotit entspricht nach der Ableitung im vorangegangenen Abschnitt der Hochdruck-Granulitfazies. Das Erreichen der Eklogit-Fazies kann nicht ausgeschlossenen, aber auch nicht sicher belegt werden.

Das Druckentlastungs-Zwischenstadium der Nordracher Gesteine ist durch eine nomenklatorisch uncharakteristische Paragenese gekennzeichnet, die keine fazielle Einstufung ermöglicht. Trotzdem ist der mögliche p-T-Bereich durch das vorhergehende und das folgende Stadium relativ eng begrenzt.

Während des statischen Cordieritisierungs-Stadiums ist in den untersuchten Paragneisen und Leptiniten die Paragenese Cordierit + Kalifeldspat stabil. Granat ist dabei in einigen Paragneisen schon vollständig pseudomorphosiert, in anderen wird er von einer Cordierit-Corona umgeben. In der Paragneis-Probe 352a = Bitzfeld berühren sich Granat, Cordierit und Kalifeldpat und Sillimanit ohne Corona-Textur gegenseitig. Diese letzte Paragenese kann in die Niedrigdruck-Granulitfazies eingestuft werden. In Gesteinen mit Corona-Texturen ist das Erreichen von Gleichgewichts-Paragenesen fraglich. Die vollständige Pseudomorphosierung des Granats zu Cordierit + Biotit + Quarz zeigt, dass in diesen Gesteinen amphibolitfazielle (? bis hin zu granatfreien, hornfelsfaziellen) Bedingungen erreicht waren.


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