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Die Genese der Leptinite und Paragneise zwischen Nordrach und Gengenbach im mittleren Schwarzwald


4. Die Leptinite

Nomenklatur

Der Begriff 'Leptinit' (leptunw (grch.) = zerkleinern, auf Grund der Feinkörnigkeit) wird hier im Sinne von COGNE & VON ELLER (1961) für feinkörnige, metamorphe, leukokrate Quarz-Feldspat-Gesteine unabhängig vom Grad ihrer metamorphen Überprägung benutzt.

Nach MATHE (1985: 500) war der Begriff 'Leptinit' (='Leptynit'), der auf HAUY (1813) zurückgeht, ein altes Synonym für 'Granulit'; 'Leptinit' hat aber im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel zu 'granulitähnlicher Gneis', zu 'mafitarmer Gneis' und zu 'heller, feinkörniger Gneis' durchgemacht. Im Schwarzwald wurden seit SAUER (1894, 1895) feinkörnige, leukokrate, nahezu glimmerfreie, Granat führende Quarz-Feldspat-Metamorphite als 'echte Granulite' bezeichnet. MARCKS (1977: 38) führte für diese schwarzwälder Gesteine den Begriff 'Leptinit' ein, da in ihnen die Granulitfazies nicht zu belegen sei. Weitere Freiburger Geowissenschaftler (z.B. LÄMMLIN 1981, WIMMENAUER & STENGER 1983, WIMMENAUER 1984) belegten danach ebenfalls feinkörnige, leukokrate, glimmerarme Metamorphite mit dem Namen 'Leptinit'.

Im Gegensatz zu der Meinung von MARCKS (1977) entsprechen zumindest die hier untersuchten Leptinite durchaus den leukokraten Granuliten des Sächsischen Granulitmassivs und der südlichen Böhmischen Masse. Im Kapitel 9.1 wird näher erläutert werden, dass der Begriff 'Granulit' heute uneinheitlich benutzt und deshalb hier vermieden wird.

Kennzeichen und Gliederung der Leptinite von Nordrach-Gengenbach

Die Biotitarmut dieser Gesteine ist der wesentliche, makroskopische Unterschied zu den Paragneisen. Quarz und Feldspäte machen mehr als 95 % des Modalbestandes aus. Granat ist immer in wenigen Prozenten vorhanden. Die Leptinite sind nach dem Biotit-Gehalt in zwei Gruppen unterteilt:

(1) in biotitarme Leptinite und
(2) in biotitreiche Leptinite.

Die biotitarmen Leptinite treten in Form größerer, homogener Körper und in Wechsellagerung mit Paragneisen auf. Die biotitreichen Leptinite erscheinen vorwiegend als größere, homogene Körper und nur untergeordnet in Wechsellagerung mit Paragneisen (vgl. geol. Karte Abb. 4).

 

4.1 Biotitarme Leptinite

Die biotitarmen Leptinite sind feinkörnige (bis 1 mm), leukokrate Quarz-Feldspat-Gesteine mit geringen Granat- und sehr geringen Biotit-Gehalten. Die Gesteine sind im Handstück oft massig, im Aufschlussbereich zeigen sie eine plattige Absonderung. Phacoidförmige Aufschlussformen wie sie FLÖTTMANN (1988: 131) aus den Granuliten um Hausach beschrieb wurden nicht beobachtet. Teilweise erkennt man im Handstück eine schwach entwickelte Foliation parallel zur plattigen Absonderung. Diese Foliation wird durch in Lagen angereicherten Granat und Biotit oder durch eingeregelte, gelängte Quarz- und Feldspatkörner abgebildet. An wenigen Stellen markieren scharf begrenzte, mm- bis cm-mächtige, dunkle, straffe, biotitreiche Lagen die Foliation. Diese verleihen dem Gestein dann einen ausgeprägten hell-dunkel-streifigen Charakter (Abb. 9). Die biotitarmen Leptinite entsprechen makroskopisch den Weißstein-Kerngranuliten des Sächsischen Granulitmassivs.

Gesteinshandstück biotitarmer Leptinit

Abb. 7: Biotitarmer Leptinit mit einigen hellverglimmerten Sillimanit-Linsen (Pfeile). Probe 508 = Hasenwald


Abb. 8: Typischer biotitarmer Leptinit. Man erkennt teilweise einen dunklen Saum aus pinitisiertem Cordierit oder Biotit um die Granat-Körner. Probe 181 = Rennsbach


Abb. 9: Biotitarmer Leptinit mit straffen, biotitreichen Lagen. Probe 95b = Moosbächlein


Unter dem Mikroskop zeigt sich ein meist regelloses, massiges und ungleichkörniges (0,1 - 1 mm) gelegentlich auch gleichkörniges Gefüge. In einem Teil der Leptinite können lagen- oder linsenförmige Teilgefüge (um 1 cm mächtig) mit unterschiedlicher Korngröße (z.B. einerseits um 0,4, andererseits um 2 mm) unterschieden werden. Die Kornformen von Quarz und Alkalifeldspat sind meist amöboid (Gefüge-Nomenklatur nach MOORE 1970), Plagioklas neigt zu hypidiomorphen Kornformen. Im Gegensatz dazu zeigen die Leptinite im Haigerach-Tal die Tendenz zu einem mylonitischen Gefüge: Eingebettet in eine feinkörnige Matrix aus 50 - 100 µm großen, amöboiden Kalifeldspat-, Quarz-und Plagioklas-Körnern liegen parallel orientierte langgestreckte Quarzkörner. Sie sind um 150 µm breit und 1500 µm lang, zeigen also eine Tendenz zu Plattenquarzen. Abb. 5 zeigt die Verbreitung der Leptinite mit Tendenz zu mylonitischem Gefüge. Vereinzelt in den massigen, aber verbreitet in den mylonitischen Leptiniten kommen 1 - 5 mm große Feldspat-Großkörner vor (meist Orthoklas, selten Mesoperthit und Antiperthit). In den mylonitischen Leptiniten sind die Feldspat-Grokörner in wenigen Fällen randlich schwach rekristallisiert. In der Umgebung und zusammen mit den mylonitischen Leptiniten kommen Leptinite mit meist schwach ausgeprägter Mörtel-Textur vor: relativ große Quarz-, Plagioklas und Kalifeldspat-Körner werden von einem feinkörnigen Gemenge dieser Minerale ummantelt.

Das amöboide Gefüge der meisten biotitarmen Leptinite entspricht dem von Kerngranuliten. WEBER & BEHR (1983: 446f) sahen es als Produkt einer Krustendehnung. Die Klärung der genetische Entwicklung dieser Gefüge ist nicht Aufgabe dieser Arbeit. Sie wird zur Zeit von W. HACKER (Dissertation, Göttingen) besorgt.

Quarz, mit gut 40 % das häufigste Mineral, ist meist undulös und zeigt Subkornbildung. Er ist meist reich an Flüssigkeitseinschlüssen und führt regelmäßig feinste Rutilnadeln (um 1 µm dick, 10-100 µm lang). Der ursprüngliche Feldspat der Leptinite war ein Hypersolvus-Feldspat, d.h. unter den hohen p-T-Bedingungen der Metamorphose existierte ein homogener K, Na, Ca-Feldspat, der bei der Abkühlung entmischte und jetzt als Mesoperthit (häufig) oder Antiperthit (selten) vorliegt. Mesoperthit ist ein Feldspat, der zu nahezu gleichen Teilen aus einer Alkalifeldpat- und einer Plagioklas-Komponente besteht, die als ca. 10 µm dicke Spindeln parallel nebeneinander liegen. Beim Antiperthit sind in einem Plagioklas-Wirtskorn nahezu rechteckig begrenzte, selten spindelförmige Orthoklase entmischt. Die Leptinite zeigen, dass der Mesoperthit durch weitere Umwandlung in diskrete Plagioklas- und Orthoklas-Körner überführt wird. So besteht eine kontinuierliche Entwicklungsreihe von

(1) Leptiniten mit Mesoperthit als alleinigem Feldspat, über
(2) Leptinite, in denen Mesoperthit, Plagioklas und Orthoklas nebeneinander vorkommen, zu
(3) Leptiniten, die keinen Mesoperthit mehr zeigen.

Die Orthoklas-Körner sind teils feinperthitisch, teils nahezu homogen. Der Rand von Mesoperthit-Körnern besteht oft aus Orthoklas, der frei von Plagioklas-Spindeln ist. Auch die Feldspäte führen in unterschiedlichem Ausmaß die feinen Rutilnadeln als Einschlüsse. Röntgenographisch machen Plagioklas und Alkalifeldspat je ca. 30 Gew.-% der Leptinite aus.

Abb. 10: Typisches ungleichkörniges, amöboides Gefüge der biotitarmen Leptinite. Probe 141a = Wippersbächle, gekreuzte Nicols


Abb. 11: Typisches Mesoperthit-Korn der biotitarmen Leptinite. Kalifeldspat-Komponente in Auslöschungsstellung. Der Rand ist frei von Albit-Spindeln. Probe 381 = Rempeneck, gekreuzte Nicols


Die oben erwähnten Kalifeldspat-Großkörner führen oft Quarz- und hypidiomorphe Plagioklas-, selten aber auch Granat- und Biotit-Einschlüsse. Die beiden letzten belegen, da die Großkörner den übrigen Granaten und Biotiten der Leptinite entsprechen, dass die Großkörner metamorphe Blasten und nicht etwa magmatische Relikte darstellen. Entlang der NE-streichenden Linie Birkenkopf -Altes Gengenbach (Haigerach-Tal) zeigen die Kalifeldspat-Körner Mikroklin-Gitterung. Myrmekit ist in den Leptiniten verbreitet, gelegentlich wurden Albitsäume um Plagioklas beobachtet.

Der Granatgehalt erreicht in den Leptiniten maximal wenige Prozent, teilweise beobachtet man eine undeutliche Anreicherung in Lagen. Die Körner sind rundlich, selten buchtig und oft zerbrochen. Die meisten Granate sind im Dünnschliff nahezu farblos, manche aber deutlich rosa bis bräunlich gefärbt. Die Granate zeigen oft einen oder mehrere der folgenden Reaktionssäume:

(1) einen Cordierit-Saum, unterteilt in einen inneren nahezu quarzfreien Cordierit-Saum und einen äußeren Quarz-Cordierit-Symplektit-Saum (Abb. 12) oder
(2) einen Saum aus hellgrünem Biotit.

Stark supergen alterierte Granate werden zu Hämatit und Hellglimmer zersetzt.

Biotit (meist braun, selten rotbraun oder olivbraun) tritt nur in wenigen Körnern je Dünnschliff auf, fehlt aber fast nie. Er ist nur schlecht geregelt, relativ grobkörnig (400-800 µm) und gelegentlich in Haufen angereichert. Teilweise treten Verwachsungen von Sillimanit mit Biotit auf. In den seltenen,

straffen, biotitreichen Lagen der Leptinite zeigen die Biotite ein offenes Gefüge und sind gut eingeregelt. Die Korngröße aller Minerale ist in diesen Lagen deutlich herabgesetzt (um 100 µm). Brauner Biotit bildet oft Säume um idiomorph begrenzte Pseudomorphosen aus Anatas-Kornaggregaten nach Rutil. Hellgrüner Biotit erscheint nur als Saum um Granat und selten um Opakminerale. Biotit wurde durch supergene Alteration in opakmineralreiche Pseudomorphosen verwandelt.

Sillimanit ist immer in Lagen oder Linsen konzentriert, deshalb fehlt Sillimanit in manchen Dünnschliffen. Es sind Schwärme aus teils deutlich individualisierten Nadeln (Abb. 13) oder kurze Prismen, die an Pseudomorphosen nach Kyanit erinnern. Der Sillimanit ist oft zu feinstschuppigem Serizit pseudomorphosiert, der stellenweise als bis cm-große, seifenweiche, hellgrüne Massen in alterierten

Leptiniten vorkommt (Abb. 7). Sillimanit bildet oft Belege auf s-Flächen. Er ist teilweise mit Biotit verwachsen, ein ehemaliger Granat-Sillimanit-Kontakt wird durch die Reaktion zu Cordierit zerstört. Cordierit schließt teilweise Sillimanit-Schwärme ein, sonst meist Quarz.

Idiomorph begrenzte Kornaggregate aus Anatas sind Pseudomorphosen nach Rutil. Sie zeigen gelegentlich die charakteristischen Herz- und Kniezwillinge und werden stets von einem Biotitsaum umgeben. Frischer Rutil kommt sehr häufig als feinste Nadeln in Quarz und in den Feldspäten vor, sehr selten dagegen als kleinere Einzelkörner. Rutil-Einschlüsse in Granat wurden nicht beobachtet. In einigen Schliffen treten wenige grüne, wurmförmige Spinell-Körnchen auf. Sie erscheinen zusammen mit entweder Biotit oder Cordierit und Opakmineralen oder Sillimanit. Monazit, Zirkon und Apatit sind weitere, seltene, akzessorische Bestandteile. Muskovit bildete sich sekundär wahrscheinlich aus Sillimanit und Kalifeldspat.

Abb. 12: Um Granate der Leptinite ist oft eine innere Cordierit-Corona (hier mit Sillimanit-Einschluss = SIL) und eine äußere Quarz-Cordierit-Symplektit-Corona (SYM) entwickelt. Die Bildung des Symplektits wird auf die Reaktion Granat + Kalifeldspat + Sillimanit = Cordierit + Quarz + Muskovit zurückgeführt. Der Cordierit ist zu gelblichem Pinit alteriert. Biotitarmer Leptinit 20 = Haubühl. Parallele Nicols


Abb. 13: Paragenese Granat (GNT) + Sillimanit (SIL) + Biotit (BIO) + Kalifeldspat + Quarz im biotitarmen Leptinit 20 = Haubühl. Hier kam es nicht zu einer Cordierit-Bildung. Parallele Nicols


 

4.2 Biotitreiche Leptinite

Die biotitreichen Leptinite unterscheiden sich durch einen deutlichen Biotitgehalt (immer noch gering im Verhältnis zu den Paragneisen) und ein dadurch betontes flaseriges Gefüge schon im Handstück deutlich von den biotitarmen Leptiniten (Abb. 14 u. 15). Im Bereich des Haigerach-Tals kommen auch biotitreiche Leptinite mit Tendenz zu einem mylonitischen Gefüge vor (Abb. 16).

Die Hauptbestandteile der biotitreichen Leptinite sind Quarz, Plagioklas und Orthoklas. Geringe Mengen Biotit und Granat machen stets einige Prozent des Gesteins aus. Das Gefüge ist ungleichkörnig (0,1 - 3 mm), die Kornformen von Quarz und Feldspäten sind im Gegensatz zu den meisten biotitarmen Leptiniten nur schwach amöboid. Größere Körner sind leicht gelängt und in die Foliation eingeregelt. Quarz und Feldspäte führen meist feinste Rutil-Nadeln als Einschlüsse. Quarz (um 500 µm, 38-44 Gew.-% nach RDA) ist reich an Fluideinschlüssen. Plagioklas ist teilweise serizitisiert. Antiperthit ist weit verbreitet. Die entmischten Orthoklas-Körnchen sind meist annähernd rechteckig, gelegentlich aber auch spindelförmig (mesoperthit-ähnlich). Der Orthoklas ist homogen bis feinperthitisch. Myrmekit ist verbreitet. Der röntgenographisch erfassbare Alkalifeldspat-Gehalt schwankt zwischen 15 und 23 Gew.-%, der von Plagioklas zwischen 33 und 41 %. Der Biotit (200 - 500 µm, ca. 3 %) ist braun bis dunkelbraun, selten rotbraun. Er tritt als Einzelkörner und in Haufen auf, ist stellenweise in Lagen angereichert und nur schwach in die Foliation geregelt. Der Granat zeigt meist Reaktionssäume aus (1) braunem Biotit, (2) grünem Biotit oder (3) Cordierit oder Quarz-Cordierit-Symplektit (Abb. 17). Neben vorwiegenden rundlichen Kornformen kommen hin und wieder auch buchtige Granate vor. Monazit, der recht häufig und charakteristisch für die biotitreichen Leptinite ist, sowie Apatit und Zirkon treten akzessorisch auf, Rutil gelegentlich als Einschluss in Granat und Biotit. Opakminerale (?Ilmenit mit Biotitsaum) sind selten. Sillimanit fehlt in den biotitreichen Leptiniten. Er könnte bei der Bildung von Cordierit verbraucht worden sein.

Abb. 14: Typischer biotitreicher Leptinit. Probe 452a = Katzenbuckel


Abb. 15: Biotitreicher Leptinit 182 = Rennsbach


Abb. 16: Gefüge mit mylonitischer Tendenz des biotitreichen Leptinits 388 = Gaishut. In der Bildmitte Antiperthit-Klast (Pfeil). Gekreuzte Nicols


Abb. 17: Zwei Granate mit Quarz-Cordierit-Corona, dem dritten Granat (Pfeil) fehlt diese aber. Der Cordierit ist hier in orange-farbenen Pinit umgewandelt. Biotitreicher Leptinit 274 = Lampertskopf. Parallele Nicols


 

4.3 Die chemische Zusammensetzung und die Edukte der Leptinite

Die chemischen Analysen der Gesteine sind ein Teil der stofflichen Charakterisierung. Sie sind für die Deutung der Metamorphose-Entwicklung und die Ermittlung der Edukte unabdingbar.

Grundvoraussetzung, um von den Analysen der Metamorphite auf ihre Edukte schließen zu können, ist ein im wesentlichen isochemer Verlauf der Metamorphose. Diese Voraussetzung kann, insbesondere im regionalen Maßstab, als gegeben angenommen werden. Ausnahmen betreffen in pelitischen Gesteinen H2O und CO2, die mit prograder Metamorphose abnehmen, Na2O und CaO können angereichert werden (SHAW 1956). Solche Untersuchungen sind prinzipiell aber extrem schwierig, ihre Übertragbarkeit ist unsicher. MÜLLER (1988) fand bei ihren Untersuchungen der Meta-Sedimente von Schwarzwald und Vogesen keine Hinweise für metamorphe oder metasomatische Stoffverschiebungen. Für metamorphe, basische Magmatite hat man in den letzten 15 Jahre eine Reihe von mobilen und immobilen Spurenelementen ermittelt. Die Immobilen werden dazu benutzt, den Magmentyp detailliert zu charakterisieren. Für die hier untersuchten Leptinite und Paragneise fehlen solche Untersuchungen bisher weitgehend.

Die biotitarmen und die biotitreichen Leptinite bilden jeweils eine Gruppe mit einer sehr einheitlichen, granit- bzw. rhyolithähnlichen Zusammensetzung (Tab. 1). Lediglich die Alkalien schwanken deutlich (Na2O und K2O sind negativ korreliert). Die Gehalte an den Oxiden FeO, MnO, MgO und CaO sind sehr gering. Die Leptinite weisen 1,5 - 3 % normativen Korund auf.

Der Unterschied zwischen biotitarmen und biotitreichen Leptiniten wird am Differentiations-Index (= Quarz+Albit+Orthoklas in Gew.-% nach CIPW-Norm), am CIPW-normativen Hypersthen-Gehalt (Gew.-%) und am Fe/(Fe+Mg)-Verhältnis besonders deutlich:
  Differentiations-Index Hypersthen Fe/(Fe+Mg)
biotitarme Leptinite 90,3 - 93,7 2,1 - 3,4 0,77 - 0,92 (0,64)
biotitreiche Leptinite 86,4 - 88,4 4,0 - 5,2 0,72 - 0,76

Die Leptinite aus größeren Leptinit-Arealen und solche aus Wechsellagerungen mit Paragneisen unterscheiden sich nicht signifikant. Die einheitliche Zusammensetzung wurde bei den biotitarmen Leptiniten über eine maximale Proben-Entfernung von 6 km Luftlinie, bei den biotitreichen Leptiniten von 4,5 km festgestellt. Nur Gesteine aus Schmelzen (Plutonite, Vulkanite, Tuffe) können solch große, chemisch homogene Körper bilden. Vergleichbare Sedimente (z. B. Arkosen) zeigen stets Wechsellagerungen unterschiedlich zusammengesetzter, schnell auskeilender Schichten.

Gestützt wird das orthogene Edukt der Leptinite auch durch Untersuchungen von DAVOINE (1968). Er verglich die Hauptelemente von Rhyolithen, Daciten und Arkosen, um das Edukt von Leptiniten bestimmen zu können. Er fand die einfache Regel, dass Leptinite mit weniger als 2,5 % CaO und mehr als 7 % Na2O+K2O auf ein rhyolithisches Edukt zurückgehen. Für alle untersuchten Leptinite zwischen Nordrach und Gengenbach trifft dies zu.

Ein weiteres Indiz für eine ehemalige Schmelze ist das Verhältnis zwischen CIPW-normativem Quarz, Albit und Orthoklas. Bei beiden Leptinit-Typen entspricht es dem einer 'Minimumschmelze' im Quarz-Alkalifeldspat-Plagioklas-System (JAMES & HAMILTON 1969). Nach EWART (1979: 72f) zeigen high-K-Rhyolithe mit mehr als 73 % SiO2 typischerweise eine Zusammensetzung nahe dem An3-Schnittpunkt ('Minimum-Schmelze', Abb. 18) und nahe der Quarz-gesättigten Zwei-Feldspat-Liquidus-Grenzkurve (Abb. 36).

Die biotitarmen und biotitreichen Leptinite fallen auch in NIGGLIs al-fm-c-alk-Tetraeder (Abb. 19) in das Feld der magmatischen Gesteine. Um den Gesteinsnamen des Eduktes im modalen STRECKEISEN-Diagramm bestimmen zu können, wurden die CIPW-Normen der chemischen Analysen nach der Methode von LE MAITRE (1976, FeO/(FeO+Fe2O3) für Rhyolithe = 0,41; das Verhältnis zwischen Alkalifeldspat und Plagioklas wird aus dem Or/An-Verhältnis errechnet) in Quarz, Alkalifeldspat und Plagioklas umgerechnet. Danach gehen die biotitarmen Leptinite auf Alkalifeldspat-Rhyolithe und die biotitreichen Leptinite auf Rhyolithe (bzw. Alkalifeldspat-Granite und Granite) zurück (Abb. 20).

Tab. 1: Haupt- und Spurenelement- (RFA) und Modal-Analysen von biotitarmen und biotitreichen Leptiniten (in Gew.-% bzw. ppm). Angaben zur Analytik befinden sich im Anhang
  biotitarme Leptinite biotitreiche Leptinite
Probe 181 123b 39 252 135a 373 88b 20 56b 174 95b 221 182 274 452a
SiO2 76,89 76,51 76,48 76,42 76,39 76,36 76,14 75,92 75,88 75,46 75,42 74,59 74,38 74,13 73,24
TiO2 0,09 0,06 0,04 0,08 0,04 0,06 0,04 0,06 0,02 0,11 0,09 0,14 0,1 0,13 0,25
Al2O3 12,79 12,67 12,97 12,69 13,02 13,12 12,95 13,18 13,25 12,78 13,43 13,44 13,45 13,69 13,94
FeO 1,16 1,34 1,16 1,32 1,14 1,15 1,04 1,3 1,15 1,27 1,54 1,92 1,74 1,81 2,43
MnO 0,08 0,09 0,06 0,04 0,06 0,16 0,05 0,08 0,07 0,04 0,06 0,03 0,04 0,05 0,04
MgO 0,19 0,2 0,06 0,17 0,18 0,12 0,05 0,12 0,18 0,4 0,23 0,33 0,37 0,39 0,44
CaO 0,77 0,55 0,35 0,32 0,47 0,5 0,36 0,54 0,51 0,52 0,53 1,26 0,85 1,17 0,74
Na2O 2,7 2,57 3,38 2,43 3,35 3,45 3,22 3,4 3,45 2,45 4,19 2,97 3,31 3,41 3,7
K2O 4,39 5,62 4,72 5,8 4,84 4,59 5,07 4,27 4,84 5,83 3,42 4,08 4,32 3,96 3,78
P2O5 0,04 0,07 0,08 0,03 0,04 0,04 0,06 0,05 0,08 0,03 0,05 0,07 0,03 0,07 0,11
H2O+ 0,46 0,38 0,66 0,67 0,44 0,46 0,58 0,31 0,49 0,55 0,73 0,73 0,61 0,62 1,19
Summe 99,56 100,06 99,96 99,97 99,97 100,01 99,56 99,23 99,92 99,44 99,69 99,56 99,2 99,43 99,86
Zr 52 48 47 72 49 60 47 49 42 69 54 117 97 103 205
Rb 95 132 215 185 161 184 251 153 97 108 90 106 74 85 140
Sr 91 96 21 62 59 25 19 29 37 66 63 100 76 87 72
Y 24 24 21 34 19 33 18 20 23 28 23 48 50 52 45
Cu < 15 < 15 < 15 < 15 < 15 20 < 15 < 15 < 15 < 15 < 15 < 15 < 15 < 15 < 15
Zn < 15 < 15 54 < 15 < 15 36 < 15 27 14 31 18 23 23 28 42
Cr < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10
Ni < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10 < 10
U 0,2* <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5 <5
Th 5* 9 8 <5 12 9 6 14 6 <5- 6 15 12 14 24
Modalbestand nach RDA (+ = im Dünnschliff vorhanden, aber unter der RDA-Nachweisgrenze von ca. 3 Gew.-%)
Quarz 42 42 45 38 41 41 42 43 46 39 43 41 40 37 44
Kalifeldsp. 27 37 25 36 31 30 26 27 30 36 18 23 22 19 14
Plagioklas 30 21 27 18 28 28 31 30 23 23 36 33 31 41 38
Biotit + + + + + + + + + + 3# 3 + 3 3
Granat + + + + + + + + + + + + + + +
Sillimanit + + + - + + + + + - + - - - -
Cordierit + + - + - - - + + + - - - + -
Muskovit° + - - 8 + - + - 4 - - + 7 - -
*gamma-spektroskopisch, # mit straffen, biotitreichen Lagen, ° sekundär

Abb. 18: Die Verhältnisse zwischen Quarz-, Albit- und Orthoklas-Komponenten der CIPW-Norm von biotitarmen und biotitreichen Leptiniten zeigen eine Zusammensetzung nahe dem 'ternären Minimum' des Quarz-Feldspat-Systems. Dargestellt sind die Projektionen der Quarz-Plagioklas-Alkalifeldspat Liquidus-Grenzkurve für drei verschiedene Anorthit-Gehalte (in Mol-%, An3, An5 und An7,5) nach JAMES & HAMILTON (1969)


Abb. 19: Paragneis- und Leptinit-Analysen in vier Schnitten durch NIGGLIs al-fm-c-alk-Tetraeder nach BURRI (1959) mit dem Feld magmatischer Gesteine


Abb. 20: Lage der biotitarmen und biotitreichen Leptinite im Streckeisen-Nomenklatur-Diagramm für Vulkanite. Berechnet aus der CIPW-Norm nach den Empfehlungen von LE MAITRE (1976)


Die Unterscheidung zwischen Granit oder Rhyolith ist mit einer chemischen Analyse nicht möglich. Die intensive Wechsellagerung mit Paragneisen in allen Dimensionen und über viele Kilometer Erstreckung und die scharfen, selten auch graduellen Übergänge zwischen Paragneisen und Leptiniten, also das Bild einer vulkano-sedimentären Abfolge, sind die stärksten Argumente für den vulkanischen Ursprung der Leptinite. Gestützt werden sie durch die negativ korrelierten Na2O- und K2O-Gehalte dieser Gesteine. ARIKAS (1986: 162) fand eine ähnliche Variation der Alkalien auf engem Raum an den Rhyolithen des Saar-Nahe-Pfalz-Gebiets, des Odenwalds und des Schwarzwalds. Für Granite ist eine solch engräumige Variation nicht bekannt und unwahrscheinlich.

Die Leptinite sind also metamorphe Rhyolithe, Ignimbrite und rhyolithische Tuffe (und Tuffite).

Abb. 21 stellt die vulkano-sedimentäre Abfolge vor der Metamorphose schematisch dar. Migmatite können nicht das Edukt der Leptinit-Paragneis-Wechsellagerung sein, da die Paragneise überwiegend nicht die Zusammensetzung von Restiten aufweisen. Die untergeordneten Al-, Fe- und Mg-reichen Paragneise können zwanglos als Metapelite interpretiert werden.

Abb. 21: Profil durch eine vulkano-sedimentäre Wechselfolge, das wahrscheinliche Edukt der Gesteine zwischen Nordrach und Gengenbach


 

4.4 Magmatische Relikte

Die postulierten Rhyolithe sollen kurz mineralogisch charakterisiert werden, um dann zu sehen, ob von diesen Charakteristika etwas reliktisch erhalten wurde. Peralkalische Rhyolithe kommen hier chemisch (z.B. haben alle peralkalischen Rhyolithe >350 ppm Zr, LEAT et al. 1986: 265) und mineralogisch nicht in Frage und werden nicht behandelt.

Nach EWART (1979) werden Rhyolithe wie folgt charakterisiert: sie sind fast ausschließlich glasig oder aphanitisch, porphyrische und aphyrische Typen sind gleich weit verbreitet. Auf Grund der hohen Extrusions-Temperatur von 750-900 °C sind sie primär sehr wasserarme Gesteine (< 1 % H2O). Sanidin ist der herrschende Feldspat, zonierter Plagioklas (An20-40) kommt als Einsprengling vor. Korrodierte Quarz-Einsprenglinge sind charakteristisch. Vorwiegendes mafisches Mineral ist Biotit, daneben kommen aber auch Hornblende, Klinopyroxen, Cordierit, Orthopyroxen und Cummingtonit vor. Akzessorische Phasen sind Zirkon, Titanit, Fe-Oxide, Apatit und Graphit. Durch sekundäre Prozesse können Tridymit, Cristobalit, Fayalit, Ferrosilit, Mn-Granat, Topaz, Fluorit, Muskovit (kommt auch primär vor), Turmalin und Rutil gebildet werden.

Die Genese von Rhyolith-Magmen wird durch fraktionierte Kristallisation oder Krusten-Anatexis erklärt (EWART 1979: 79f). Für die Krusten-Anatexis sprechen Mineral-Relikte von Krusten-Gesteinen, die als Restite der Aufgeschmelzung widerstanden. ARIKAS (1986: 123ff) beschrieb TiO2-reiche Granate dieses Ursprungs (TiO2 um 0,4 %, Almandin 64 %, Spessartin 3 %, Pyrop 17 % und Grossular 17 %) aus permokarbonen Rhyolithen des Saar-Nahe-Pfalz-Gebiets. Sillimanit-Nadeln, Apatit, Monazit, Turmalin, Cordierit und Biotite mit Ungleichgewichts-Schmelztexturen zu Fe-Zn-Spinell in den Vulkaniten der tertiären Macusani-Ignimbrit-Suite (Peru) wurden von PICHAVANT et al. (1988) ebenfalls als Restite dieses Schmelzprozesses angesehen.

Magmatische Relikte in den Leptiniten?

Die Leptinite von Nordrach-Gengenbach sind sehr wasserarme Gesteine (0,4-0,6 % H2O+). Dieser Wassergehalt ist aber wahrscheinlich nicht von dem primär wasserarmen Rhyolith ererbt, sondern auf metamorphe Dehydration zurückzuführen. Dies wird durch den relativ großen Wasser-Gehalt von schwach metamorphen Rhyolithen deutlich, beispielsweise

(1) die, durch autohydrothermale Alteration wasserreichen, permokarbonen Rhyolithe SW-Deutschlands (1-3 % H2O+, ARIKAS 1986) und

(2) die wasserreicheren (1,6 % H2O+), grünschieferfaziellen Meta-Rhyolithe (Serizitgneise, ANDERLE et al. 1972: 126) des Taunus-Südrands.

Gut der Hälfte aller Rhyolithe, den aphyrischen, fehlen Einsprenglinge (s.o.). Deshalb sind nicht in allen Meta-Rhyolithen Einsprenglings-Relikte zu erwarten. Die vereinzelten Feldspat-Großkörner (Orthoklas, Mesoperthit, Antiperthit) der Leptinite von Nordrach - Gengenbach zeigen nirgends mehr idiomorphe Umrisse oder oszillierende, magmatische Zonierung. Seltene Granat- und Biotit-Einschlüsse in den Grokörnern machen das metamorphe Wachstum zwar wahrscheinlich, können aber auch reliktische Restite der Aufschmelzung sein. Falls die Feldspat-Großkörner metamorph wuchsen, könnte es sich

(1) um Klasten eines Mylonits, dessen straffe Foliation durch Rekristallisation ausgelöscht wurde, handeln oder

(2) um Produkte einer diskontinuierlichen Kornvergröberung (Sekundär-Rekristallisation).

W. HACKER (Göttingen, Diss. in Vorb.) wird diese Problematik detailliert behandeln.

Die lagen- bis linsenförmigen, um 1 cm mächtigen Teilgefüge der Leptinite mit unterschiedlicher Korngröße (einerseits um 0,4, andererseits um 2 mm) und ähnlichem Mineralbestand könnten eventuell auf inhomogene Bereiche des Edukts zurückgehen.

Amphibole und Pyroxene treten in den Leptiniten nicht auf. Die Biotite der Leptinite sind deutlich Al- und Fe-reicher als die magmatischen Biotite von Rhyolithen (EWART 1979: 66), also metamorph geprägt. Ebenso wird der Granat wegen seiner relativ großen Gehalte als metamorph gebildet angesehen. Ein Teil des Sillimanits und die wenigen Spinell-, Apatit-, Rutil-, Zirkon- und Monazit-Körner können nicht als magmatisch oder metamorph gewachsen klassifiziert werden.

Eindeutige magmatische Gefüge- oder Mineral-Relikte sind in den Leptiniten also nicht nachzuweisen.

 

4.5 Vergleich mit ähnlichen Gesteinen des Schwarzwalds

Leptinite sind im Schwarzwald weit verbreitet. Einige dieser Vorkommen wurden in den letzten Jahren petrographisch bearbeitet.

Etwa 5 km östlich der Nordracher Leptinite treten im Renchtal zwischen Bad Peterstal und Bad Griesbach in einem 300 m großen Areal 5 bis 150 cm mächtige Leptinit-Lagen in Wechsellagerung mit Paragneisen und Amphiboliten auf (MARCKS 1977). MARCKS Beschreibung von Plagioklas-Hornblende-Coronen um Granat und von reliktischem Auftreten der Paragnese Klinopyroxen + Granat in den Amphiboliten wird hier als Indiz für ein früheres druckbetontes Metamorphose-Ereignis gewertet (Hochdruck-Granulitfazies bis Eklogitfazies). Nach der Beschreibung von MARCKS fehlen den Leptiniten Mesoperthit und Al2SiO5-Minerale. Die chemische Zusammensetzung ist SiO2-reicher und Al2O3-ärmer als die der Nordracher Leptinite. Die geringe Leptinit-Mächtigkeit, die Wechsellagerung mit Amphiboliten, die Hornblendeführung der benachbarten Paragneise und die verschiedene chemische und mineralogische Zusammensetzung der Leptinite unterscheiden das Bad Peterstaler Vorkommen deutlich von den Nordrach-Gengenbacher Leptiniten. MARCKS interpretierte die Leptinite des Renchtals als rhyolitische Meta-Tuffite.

Am Südrand der Zentralen Schwarzwälder Gneismasse, an der Grenze zur Zone Badenweiler-Lenzkirch, tritt eine bunte Assoziation mit Amphiboliten, Kalksilkatgesteinen und Leptiniten auf, die Zone Sulzburg-Vöhrenbach. Nach LIM (1979) erscheinen die millimeter- bis einige Meter mächtigen Leptinite in Wechsellagerung mit Amphiboliten, Kalifeldspatblastiten und feinkörnigen Biotit-Plagioklas-Gneisen (Verband vom Spießhorn nach ALTHERR & MAASS 1977). Diese Leptinite haben einen geringen Kalifeldspat-Gehalt und führen Hornblende, aber keine Al2SiO5-Minerale. In der chemischen Zusammensetzung dominiert Na2O stark über K2O. Diese Leptinite sind somit lithologisch grundverschieden von den Nordracher Leptiniten. LIM nahm ähnlich wie ALTHERR & MAASS als Edukt rhyolitische Pyroklastite bzw. aus diesen hervorgegangene Keratophyre an.

Den Nordracher Leptiniten viel ähnlicher sind dagegen die feinkörnigen Leptinite und leukokraten Gneise aus dem Raum Todtmoos im Südschwarzwald. Sie bilden ein gut 12 km großes Massiv, in das im Osten Biotit-Cordierit-Gneise und im Westen um 1 km mächtige, Hornblende führende Kalifeldspat-Metablastite eingelagert sind. In den Kalifeldspat-Metablastiten (Edukte sind nach LÄMMLIN (1981: 91ff) illitreiche Tongesteine) und Leptiniten sind untergeordnet Amphibolit-Körper eingelagert. LÄMMLIN (1981: 43ff) unterteilt nach dem Biotitgehalt in Leptinite (< 5 %) und Kalifeldspat führende, helle Gneise (> 5 %). Diese Gesteine sind durch kontinuierliche Übergänge miteinander verbunden. In ihren Quarzen sind bis 200 µm lange Rutilnadeln eingeschlossen. LÄMMLIN erwähnte perthitischen Kalifeldspat, aber keinen Mesoperthit. Die chemischen Analysen der südschwarzwälder Leptinite und hellen Gneise sind sehr ähnlich denen der Nordracher Leptinite. Die Granate der südschwarzwälder Leptinite sind nicht zoniert. LÄMMLIN teilte Granat-Analysen mit. Unter der Annahme, dass mit diesem Granat ein Al2SiO5-Mineral im Gleichgewicht stand (exakte Angaben fehlen), und mit der mittleren Plagioklas-Zusammensetzung von An10 ergibt sich mit dem Granat-Plagioklas-Al2SiO5-Quarz-Thermobarometer bei 700 °C ein Druck von 10 kbar. Diese p-T-Daten liegen im Stabilitätsfeld von Kyanit. Dies kann als Indiz für ein früheres Metamorphose-Stadium unter erhöhtem Druck gewertet werden. Dieses Ergebnis wird unterstützt durch das sporadische Auftreten von Orthopyroxen und Kyanit in diesen Gesteinen (WIMMENAUER et al. 1989: 259).

FLÖTTMANN (1988: 131ff) beschrieb meter-große, phacoid-förmige Granulite mit einem charakteristischen, zwiebelschaligen Aufbau aus dem mittleren Teil der Zentralen Schwarzwälder Gneismasse. Es handelt sich dabei vorwiegend um biotitreiche, strafflagige Gneise, untergeordnet aber auch um leukokrate Gesteine. Da für diese leukokraten Gesteine keine chemischen oder modalen Analysen vorliegen, entziehen sie sich einem stofflichen Vergleich. So sehr sich diese Gesteine in ihrer Aufschlussform von den Nordracher Leptiniten unterscheiden, so ähnlich sind sie sich in ihrer metamorphen Entwicklung (Mesoperthit + Kyanit, Spinell-Coronen um Kyanit etc.).

 

4.6 Aktualistische Charakterisierung des Rhyolith-Edukts

Über einen Vergleich mit jungen Laven soll versucht werden, den Bildungsraum der Nordrach-Gengenbacher Leptinit-Edukte zu bestimmen. Für die geodynamische Entwicklung Europas ist wichtig, ob dieser vermutlich präordovizische Rhyolith-Vulkanismus das Produkt einer Krustendehnung oder Krustenverkürzung ist.

Die chemische Zusammensetzung der Leptinite ist peralumisch und subalkalisch. Vom Tertiär bis heute kommen solche Laven in drei verschiedenen Assoziationen vor (EWART 1979):

(1) in der Dacit-Rhyolith-Assoziation der Inselbögen,
(2) in der Dacit-Rhyolith-Assoziation der orogenen Kontinentalränder und
(3) in der bimodalen Assoziation in Gebieten mit Krustendehnung.

Die Rhyolithe der konvergenten Plattenränder (1) und (2) werden im SiO2-K2O-Diagramm nach EWART (1979, Abb. 22) in low-K-, kalkalkalische und high-K-Rhyolithe unterteilt. Für einen Vergleich mit den Leptiniten von Nordrach-Gengenbach kommen nach den Analysenergebnissen nur die high-K-Rhyolithe der konvergenten Plattenränder und die Rhyolithe aus bimodalen Assoziationen in Frage.

Abb. 22: Gliederung subalkalischer Rhyolithe konvergenter Plattenränder nach EWART (1979: 37, in Gew.-%) und Lage der biotitarmen und biotitreichen Leptinite


Die high-K-Rhyolithe kommen nach EWART zusammen mit dacitischen Vulkaniten vor und bilden mit diesen einen 'magmatischen Trend'. In diesem Trend tendieren die high-K-Rhyolithe zu und enden nahe dem 'ternären Minimum' des Quarz-Feldspat-Systems.

Die Rhyolithe aus bimodalen Assoziationen treten vorwiegend zusammen mit basaltischen Vulkaniten auf, intermediäre Schmelzen sind untergeordnet. Nach EWART sind diese Rhyolithe SiO2-reich (74-76 %), CaO-arm (0,5-1 % gegen über 1-1,5 % von high-K-Rhyolithen), MgO-arm (0,1-0,35 % gegenüber 0,3-0,5 % von high-K-Rhyolithen) und alkalireich (Na2O+K2O > 8 %). Sie sind an Sr verarmt (10-130 ppm gegenüber 100-200 ppm von high-K-Rhyolithen) und zeigen eine starke Ba-Verarmung bei steigendem Differentiations-Index (800-1000 ppm Ba bei D.I.=90 und <200 ppm bei D.I.=95).

In der Gruppe der high-K-Rhyolithe gibt es eine Untergruppe, die den Rhyolithen aus bimodalen Assoziationen sehr ähnelt. EWART (1979) nannte sie Biotit-Rhyolithe. Sie werden in der Spätphase von vorwiegend intermediären Vulkanzentren gefördert, zeigen aber nicht die starke Ba- und Sr-Verarmung der Rhyolithe aus bimodalen Assoziationen.

Für basische Vulkanite existiert eine Vielzahl von geotektonischen Diskriminierungs-Diagrammen auf der Basis von immobilen Spurenelementen. Für Rhyolithe ist nur das TiO2 -Zr-Diagramm von PEARCE (1982), das Inselbogen- und Intraplatten-Laven diskriminiert, verbreitet. Dieses Diagramm ist aber nicht eindeutig, da Zr- und Ti-arme Rhyolithe aus bimodalen Assoziationen fälschlicherweise in das Inselbogen-Lava-Feld fallen (vgl. LOESCHKE 1989: 607).

LEAT et al. (1986: 264) betonten, dass viele SiO2-reiche Rhyolithe aus bimodalen Assoziationen durch sehr niedrige TiO2-Gehalte von weniger als ca. 0,05 Gew.-% gekennzeichnet sind. Diese Gesteine fehlen in EWARTs Zusammenstellung.

Vergleich mit den Nordracher Leptiniten

In der nördlichen Zentralen Schwarzwälder Gneismasse fehlen die basaltischen Edukte für eine ehemals bimodale Assoziation, denn die wenigen eklogitogenen Amphibolit-Linsen sind mengenmäig unbedeutend und ihre Altersgleichheit zweifelhaft. Das Fehlen des basaltischen Teils einer bimodalen Assoziation wäre im Schwarzwald allerdings kein Einzelfall, da es auch im ausgehenden Paläozoikum zu beobachten ist. ARIKAS (1986) rechnete die permokarbonen Rhyolithe des Schwarzwalds aus Analogiegründen zu der gleichen bimodalen Assoziation, die im Saar-Nahe-Pfalz-Gebiet beispielhaft aufgeschlossen ist, obwohl im Schwarzwald die assoziierten Basalte völlig fehlen.

Im Raum Nordrach-Gengenbach fehlt ein intermediäres Vulkanzentrum wie EWART (1979) es für die Biotit-Rhyolithe beschrieb. Die Assoziation der Leptinite mit dacitischen Edukten, wie sie für eine Dacit-Rhyolith-Assoziation der konvergenten Plattenränder zu erwarten wäre, ist bei dem jetzigen Untersuchungsstand unklar. Vielleicht kommen die vorwiegend als Meta-Plutone angesehenen, granodioritischen Orthogneise der Zentralen Schwarzwälder Gneismasse als intermediäres Vulkanzentrum oder assoziierte Dacite in Frage. Sichere Intrusions-Kontakte der vermutlichen Meta-Plutone wurden bislang noch nicht beobachtet, so dass ihr intrusiver Charakter und das daraus folgende jüngere Alter nicht zweifelsfrei belegt sind.

Die niedrigen Sr-Gehalte der untersuchten Leptinite deuten auf Rhyolithe aus bimodalen Assoziationen. In der Zusammenstellung von EWART haben diese Rhyolithe aber stets Zr-Gehalte von über 100 ppm, die Nordracher Leptinite dagegen oft von deutlich unter 100 ppm. Die Analysen von ARIKAS (1986: 218f) zeigen aber, dass die permokarbonen, bimodalen Rhyolithe SW-Deutschlands ebenso niedrige Zr-Gehalte aufweisen wie die Leptinite. Die niedrigen TiO2-Gehalte der Nordracher Leptinite deuten nach LEAT et al. (1986) ebenfalls auf Rhyolithe aus bimodalen Assoziationen.

Auf der Basis der jetzigen Kenntnisse können die Leptinite von Nordrach-Gengenbach nicht eindeutig als Produkt von Krustendehnung oder Krustenverkürzung klassifiziert werden.

 

4.7 Chemische Besonderheiten granulitfazieller Gesteine

Wie noch erläutert werden wird, ist für die Leptinite eine granulitfazielle Metamorphose wahrscheinlich. Nach HEIER (1973) unterscheiden sich Gesteine der Niedrigdruck-Granulit-Fazies nicht chemisch von amphibolitfaziellen Gesteinen, mit denen sie meist eng vergesellschaftet sind. Bei mittel- und hochdruck-granulitfaziellen Gesteinen ist aber eine signifikante Verarmung an den Large-Ion-Lithophile-(LIL)-Elementen Th, U, Rb und Cs festzustellen. RUDNICK et al. (1985) haben dies an Hand von neuen Analysen mittel- und hochdruck-granulitfazieller Gesteine überprüft. Sie stellten fest, da man eine Zunahme des K/Rb-Verhältnisses als Folge der Granulitfazies für Gesteine mit mehr als 1,2 % K2O nur statistisch, aber nicht an Hand von Einzelanalysen nachweisen kann. Dagegen zeigte sich aber eine deutliche Tendenz zu größeren Th/U-Verhältnissen in granulitfaziellen Gesteinen, verglichen mit ihren Edukten. Die meisten magmatischen Gesteine haben ein Th/U-Verhältnis zwischen 3,5 und 4 (ROGERS & ADAMS 1978). In Sedimenten schwankt es zwischen 2 und 10, bei den meisten Tongesteinen zwischen 4 und 6 (McLENNAN & TAYLOR 1980). Nach RUDNICK et al. (1985: 1652) ist in Granuliten Th/U oft größer als 4. Sie führten dies im wesentlichen auf eine Verarmung an U zurück.

STENGER et al. (1989: 120) berichteten, da im Schwarzwald die metasedimentären und sauren Granulite keine signifikante Verarmung an LIL-Elementen zeigen.

Der Th- und U-Gehalt des biotitarmen Leptinits 181 wurde gammaspektroskopisch von C. BÜCKER (KTB-Feldlabor) bestimmt. Das Ergebnis (5 ppm Th, 0,2 ppm U, Th/U = 25) zeigt eine starke Abnahme von U an.

 

4.8 Vergleich mit der Geochemie der sauren Granulite der Böhmischen Masse

FIALA et al. (1987) verglichen die sauren Granulite mit ihren Oberkrusten-Äquivalenten (Granite und Rhyolithe). Dabei zeigte sich, dass die Granulite ärmer an Th, U und Zr waren, dagegen reicher an Cr und Ni. Der Sr-Gehalt der Granulite war sehr gering und ähnelte dem von Rhyolithen aus bimodalen Assoziationen. Die Granulite hatten nach FIALA et al. keinen residualen Charakter durch partielle syngranulitische Aufschmelzung, da die Gehalte an K2O und Rb den Oberkrusten-Äquivalenten entsprachen und Sr und Zr verarmt statt angereichert sind. Die Verarmung an Th und U war also keine Folge einer generellen LIL-Element-Verarmung. FIALA et al. erklärten die Th- und U-Verarmung durch selektive Laugung während der Granulit-Metamorphose und die Cr- und Ni-Anreicherung durch Kontaminierung durch ultrabasisches Material. Die sauren Granulite entsprachen nach ihren Gehalten an Hauptelementen Graniten oder Rhyolithen, nach ihren Spurenelementen am ehesten Rhyolithen aus bimodalen Assoziationen. Dass die Granulite auf Oberkrusten-Edukte zurückgehen, wurde auch durch die ausgeprägt negative Eu-Anomalie bestätigt. Saure Gesteine, die durch partielle Aufschmelzung in der Unterkruste entstehen, sind nämlich durch eine ausgeprägt positive Eu-Anomalie gekennzeichet (PRIDE & MUECKE 1982 zitiert in FIALA et al.).

Die Cr-Gehalte der Nordracher Leptinite sind deutlich geringer als die der böhmischen Granulite (Gruppe A von FIALA et al.), sonst sind sie aber, soweit das hier untersucht wurde (Eu-Gehalte wurden nicht bestimmt), diesen chemisch sehr ähnlich.


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