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Die Genese der Leptinite und Paragneise zwischen Nordrach und Gengenbach im mittleren Schwarzwald


12. Strukturgeologische Aspekte, Granitintrusion und permischer Vulkanismus

Die vorherrschende regionale Richtung im Grundgebirge des nördlichen Teils der Zentralen Schwarzwälder Gneismasse ist die SW-NE-Richtung. Abb. 2 zeigt, dass sowohl die großen, lithologischen Einheiten der Metamorphite als auch der NW-Rand des Triberger Granits mit seinen Apophysen und der SE-Rand der Nordschwarzwälder Granite diesem Bauplan folgen. Diesem regionalen Trend ist ein engräumig sehr variabler Großfaltenbau überlagert.

Im engeren Arbeitsgebiet äußert sich dieser Großfaltenbau in einer Muldenstruktur ('Wippersbach-Mulde'), deren Muldenachse in einem großen Bogen aus der SE-NW-Richtung in die SW-NE-Richtung biegt (Abb. 5). Die Mulde weist eine Fächerstruktur auf, da die Foliation in Richtung auf den Muldenkern steiler einfällt als auf den Muldenschenkeln. Darüberhinaus wird ein Faltenbau mit Wellenlängen in der Gröenordnung von Zehner- bis Hundertmeter durch abwechselnd flaches und steiles Einfallen der Foliation abgebildet. Eindeutige Faltenstrukturen im Aufschlussbereich wurden nicht beobachtet. Kleinfaltenstrukturen im cm-Mastab treten in wenigen Paragneis-Handstücken auf.

Die Foliation ist das prägende, planare Element der untersuchten Metamorphite. Sie äußert sich mikro- und makroskopisch in einem lagenweise unterschiedlichen Aufbau (Mineralbestand, Gefüge). In den dominierenden Leptiniten mit amöboiden Kornformen ist die Foliation im Dünnschliff höchstens an einer schwachen Anreicherung von Granat oder Biotit in Lagen zu erkennen. Nur im Gebiet um das Haigerachtal (vgl. Abb. 5) ist in den Leptiniten eine Tendenz zu einem mylonitischen Gefüge zu beobachten. Am oberen Ende des Haigerach-Tals ('Altes Gengenbach') und auf der Höhe von Gaishut-Schwandeck haben diese mylonitischen Leptinite eine größere Verbreitung. In der Nachbarschaft dieser Areale findet man sie nur gelegentlich.

Die Begrenzung des Nordracher Granits liegt konkordant zur Foliation der einhüllenden Gneise (Abb. 5). Nur seine NW-Grenze entlang des Haigerach-Tales wird durch eine Störung begrenzt. Die Granitgrenze liegt dort diskordant zur Foliation der Metamorphite.

 

12.1 Mittelbach - Störungszone

Im Bereich des Mittelbach-Tals ist auf mindestens 2 km Länge eine NE-SW-streichende, ca. 200 m mächtige Störungszone aus Tektoniten paragneisähnlicher und granitoider Zusammensetzung aufgeschlossen (Abb. 3, 5, 50). Das Ausmaß der Deformation schwankt stark. Die Tektonite umfassen den Bereich zwischen Proto-Kataklasit, Proto-Mylonit und Mylonit (Nomenklatur nach HEITZMANN 1985). Sie gehen auf eine mehrphasige Deformation zurück. Die Foliationsflächen der Störungszone liegen um 155/60 und tragen Harnische. Die Mylonitisierung in der Mittelbach-Störungszone erfolgte nach dem statischen Cordieritisierungs-Stadium (LP-HT-Metamorphose) bei Temperaturen unter 500 °C (siehe unten). Im Gegensatz dazu erfolgte die Hochtemperatur-Mylonitisierung im Bereich des Haigerach-Tals (Abb. 5) vor dem statischen Cordieritisierungs-Stadium und wegen der teilweisen Rekristallisation von Plagioklas bei Temperaturen von über 500 °C.

Die Mittelbach-Störungszone liegt in streichender Verlängerung der Zone Diersburg - Berghaupten und könnte genetisch mit der Verschuppung der Oberkarbon-Sedimente und -Vulkanite mit dem Grundgebirge gekoppelt sein.

Abb. 50: Karte der vorwiegend bruchhaften Deformationen im engeren Arbeitsgebiet

Abb. 50 in verbesserter Auflösung (81 KB)


In den Gesteinen der Störungszone kann Quarz bis hin zu Plattenquarzen von 5 x 0,1 mm ausgezogen sein. Er zeigt oft Deformationsbänder, an deren Korngrenzen Rekristallisation einsetzt. Andere Quarzkörner sind in Subkörner (Kleinwinkel-Korngrenzen), die fließend in Rekristallisate (Großwinkel-Korngrenzen, Korngrößen jeweils um 10 µm) übergehen, unterteilt. Plagioklas und Kalifeldspat (teilweise mit Mikroklin-Gitterung oder perthitischer Entmischung) verhielten sich gegenüber dem Deformations-Prozess starr und reagierten bruchhaft. Nur ganz vereinzelt ist geringfügige Plagioklas-Rekristallisation festzustellen. Die Feldspäte werden als Klasten vom plastisch reagierenden Quarz umflossen (Abb. 51). Die Korngröße der Plagioklas-Klasten liegt meist zwischen 1 und 2 mm, die der Kalifeldspat-Klasten zwischen 1 und 10 mm. Wegen der großen Kalifeldspäte und dem Fehlen von Granat kommt als Edukt dieser Tektonite eher ein Granitoid als ein Leptinit in Frage (Abb. 52). Der Biotit ist meist vollständig chloritisiert. Hellglimmer füllt als Serizit Risse aus (besonders im Kalifeldspat) und bildet in einem Schliff zusammen mit den Feldspäten 0,4 mm große, deformierte Klasten. Mehrfach sind im Dünnschliff scharf begrenzte ultrakataklastische bis ultramylonitische Bahnen zu beobachten. Dort schwimmen ca. 10 % Klasten in einer feinkörnigen, serizitreichen, nur schlecht foliierten Matrix (90 %). Eine spätere, kataklastische Überprägung erzeugt 50 µm breite Quarzgängchen, die die ultramylonitischen Bahnen schiefwinklig durchschlagen.

Die Deformation erfolgte nach der teilweise duktilen Verformung des Quarzes und der bruchhaften Verformung der Feldspäte bei Temperaturen zwischen 300 und 500 °C (VOLL 1980). Anschließend setzte sich die Deformation in mehreren Phasen bei niedrigeren Temperaturen (unter 300 °C, bruchhafte Verformung von Quarz) fort.

Parallel zur Mittelbach-Störungszone verläuft noch der 20 m mächtige Granitporphyr-Gang quer durch Blatt Gengenbach sowie die Haigerach-Störung, die den Nordracher Granit nach NW hin begrenzt (Abb. 50).

Abb. 51: Leukokrater Mylonit der Mittelbach-Störungszone mit Plattenquarzen und Plagioklas-Klasten. Das Gestein wird von späteren, verheilten Störungen durchschlagen. Probe 526a = Mittelbach. Parallele Nicols


Abb. 52: Kataklastisch überprägtes granitoides Gestein der Mittelbach-Störungszone. Probe 489 = Mittelbach. Gekreuzte Nicols


 

12.2 Nordracher Granit

Dieser turmalinführende Zwei-Glimmer-Granit ist bisher nicht in moderne Granit-Untersuchungen einbezogen worden. Er ist richtungslos körnig, teils feinkörnig, teils grobkörnig und teils kalifeldspat-porphyrisch. Cordierit, jetzt als Pinit, ist nicht selten. Von WILSER (1935: 372) liegen zwei chemische Analysen vor. Es handelt sich danach um einen Granit vom S-Typ. WILDBERG

(1989) unterschied in den Vogesen zwischen den subduktionsbezogenen I-Typ-Graniten im saxothuringischen Teil und den mannigfaltigen S- und I-Typ-Graniten des moldanubischen Teils, die einem Kollisionsregime zuzuordnen sind. LIEW (1986) verglich die Anordnung von Graniten des I-Typs im Saxothuringikum und des S-Typs im Moldanubikum mit einer nach Süden abtauchenden Subduktionszone an einem aktiven Kontinentalrand.

WAGER (1939: Fig. 2) gab die modale Zusammensetzung des Nordracher Granits an. Für SCHNEIDERHÖHN (1961: 38) schien der er der jüngste Granit des mittleren und nördlichen Schwarzwaldes zu sein. Er zeige recht viele pegmatitisch-pneumatolytische Anzeichen und Minerale. Nach JOHANNSEN (1932: 178) wird im Nordracher Granit Glimmer von Turmalin verdrängt. BOCK (1960) hat den Nordracher Granit kartiert und insbesondere auf Schwerminerale untersucht. Spätere Granitgänge durchschlagen den Nordracher Granit so gut wie nicht (WILSER 1935: 371). Häufiger treten aber pneumatolytische Quarz-Turmalin-Gängchen in Granit und Gneis auf. Mit ihnen ist eine Wolfram-Mineralisation verknüpft (WALENTA et al. 1970). Südlich von Nordrach hat diese zu kommerzieller Exploration Anlass gegeben (Bohrung Rossgrabeneck). Im Geochemischen Atlas der Bundesrepublik Deutschland (FAUTH et al. 1985) ist diese Wolfram-Mineralisation als bedeutendste in der Bundesrepublik verzeichnet (max. 65 ppm W im Bachsediment). Zinnstein wurde zwar von WALENTA et al. (1970) gefunden, der Geochemische Atlas zeigt aber ganz normale Untergrundwerte für Zinn (vgl. dazu weiterführend VON GEHLEN 1989).

Im Süden und Südwesten liegt der Nordracher Granit nicht mehr als geschlossener Pluton vor, sondern spaltet sich in unzählige (Lager-) Granitgänge auf. Im Westen durchschlagen diese den SW-Ausläufer des älteren Durbacher (= Oberkircher) Granits (WILSER 1935). Der Nordracher Granit bewirkt durch seine geringe Dichte eine deutliche negative Schwereanomalie (PLAUMANN in KTB 1986: Abb. 3.13).

An Hand der vorliegenden Daten bietet sich ein Vergleich zu der von EMMERMANN (1977) aufgestellten Granitentwicklung im nördlichen Schwarzwald an. Danach zeigt sich, dass der Nordracher Granit ein typischer Vertreter der homogenen Gruppe der oberkarbonischen Zwei-Glimmer-Granite (Raumünzach-, Sprollenhaus-Granit usw.) ist und am Ende der Granitentwicklung im Schwarzwald steht. DRACH et al. (1974) haben diese ganze Gruppe auf 303 ± 3 Ma datiert (oberstes Oberkarbon). Für den Nordracher Granit ist wegen der großen Ähnlichkeit das gleiche Alter anzunehmen, so dass die Zeitspanne von Granitintrusion über Hebung und Erosion bis zum Rotliegend-Vulkanismus (siehe unten) ca. 17 Ma beträgt. Das Sr-Isotopen-Anfangsverhältnis von 0,7154 für die Nordschwarzwälder Zwei-Glimmer-Granite (DRACH et al.1974) zeigt deren palingene Entstehung an.

 

12.3 Haigerach-Rhyolith

Der durch autohydrothermale Serizitisierung weiße, feingestreifte, rotliegende Rhyolith eruptierte vor 286±7 Ma (Rb/Sr an Muskovit-Einsprenglingen, SCHLEICHER et al. 1983). Er führt Quarz, Kalifeldspat, Biotit und Muskovit als Einsprenglinge. Die Grundmasse besteht aus Quarz, Kalifeldspat und Serizit. Die Muskovit-Einsprenglinge ermöglichen es, die Magmenbildung näher zu charakterisieren: Nach SCHLEICHER et al. (1980) ist das Magma in 12-16 km Tiefe gebildet worden. Auf tiefreichenden Förderspalten stieg es dann schnell zur Erdoberfläche auf, so dass die Muskovit-Einsprenglinge nicht, wie sonst üblich, resorbiert werden konnten. Im Steinbruch Sauerstein ist der Schlotbereich aufgeschlossen (Abb. 50). Die autohydrothermale Überprägung durch pneumatolytisch - hydrothermale, residuale Fluide erfolgte gleich nach der Extrusion und wird durch einen Fluor-Gehalt von 0,4 % bekräftigt (Analyse SCHLEICHER & LIPPOLT 1981). Fluorit, der von WEYL (1938) noch vermisst wurde, konnte jetzt beobachtet werden. Er bildet dunkelviolette Würfel (1 mm) und farblose, allotriomorphe Hohlraumausfüllungen und verdrängt Kalifeldspat-Einsprenglinge.

 

12.4 Schwarm einer vulkanischen Gangbrekzie

In einem SW-NE streichenden, 2 km breiten und mindestens 8 km langen Streifen (vgl. Abb. 50) treten immer wieder brekzienartige Gesteine auf. In einer dichten, massigen, roten Grundmasse schwimmen völlig ungeregelt eckige, helle, cm-große Bruchstücke aus Gneis, Leptinit und selten Granit. Hin und wieder treten drusige, quarzbestandene Hohlräume auf (Abb. 53). Die Gesteine haben messerscharfe, ebene Grenzflächen zum Nachbargestein wie auch zu Nachschüben mit Gesteinsbruchstücken einer viel geringeren Größe.

Die Gänge halten nicht lange durch und keilen schnell aus. Gegen eine tektonische Brekzie sprechen die, mit idiomorphen Quarz-Kristallen ausgekleideten, drusigen Hohlräume. Die Nachschübe belegen, dass die Bruchstücke nicht von der benachbarten Begrenzungswand stammen können, sondern in der Grundmasse eingebettet transportiert wurden.

Die rote, feinstkörnige Grundmasse ist mikroskopisch nicht näher aufzulösen, röntgenographisch lässt sich hauptsächlich Quarz (87 Gew.-% nach RDA), wenig Kalifeldspat (13 %) und sehr wenig Hämatit nachweisen. Die chemische Zusammensetzung der Grundmasse lautet (RFA an Pulverpress-Tabletten, Gew.-% bzw. ppm) :

SiO2

95

Zr

28

TiO2

0,05

Rb

114

Al2O3

5

Sr

25

Fe2O3

0,42

Y

11

MnO

0

Cu <15
MgO

0,19

Zn

12

CaO

0,03

Cr

13

Na2O

0

Ni

18

K2O

2,2

U <5
P2O5

0

Th <5
Sum.

102,89

   

Abb. 53: Vulkanische Gangbrekzie. Der drusige Hohlraum (Pfeil) ist mit idiomorphen Quarzkristallen ausgekleidet. Unterschiedlich große Leptinit-Bruchstücke und ein helles Turmalin-Pegmatit-Bruckstück (x) schwimmen in einer feinstkörnigen, roten Grundmasse. Probe 228 = Schnaitberg Eck


Abb. 54: Vulkanische Brekzie aus rötlichen Rhyolith-Bruchstücken in einer feinstkörnigen, roten Grundmasse. Probe 315a = Sauerstein


Mitten in dem Gangschwarm liegt der Rhyolithschlot des Steinbruchs Sauerstein. Dort sind ähnliche brekziöse Gesteine zu beobachten (Abb. 54). Die Gesteinsbruchstücke bestehen hier aus Rhyolith. Diese Rhyolithbrekzie ist sowohl weiß gebleicht als auch rötlich gefärbt (rötliche Rhyolithbruchstücke wie auch rötliche, dichte Grundmasse). Quarzdrusen sind hier besonders häufig. Daraus wird deutlich, dass es sich bei dem brekziösen Gestein abseits des Rhyolith-Schlots wahrscheinlich um einen mehr als 10 km langen Gangschwarm einer vulkanischen Brekzie handelt. Die Bruchstücke schwimmen in silifizierter Rhyolith-Grundmasse. Die bei der Rhyolith-Eruption aufreißenden Spalten wurden mit Schmelze und Gesteinsbruchstücken gefüllt. Der Rhyolith wurde im Laufe der Eruption schon wieder selbst von der Brekzierung erfasst. Die autohydrothermale Weißbleichung (Serizitisierung) durch residuale Fluide hat im Schlotbereich die Vulkanitbrekzie mitbetroffen. Ähnliche brekziöse Gesteine wurden von WIMMENAUER (1948) bei Freiburg beschrieben. Allerdings fehlt dort ein Rhyolith-Schlot in der Nähe.

 

12.5 Ernsbach-Störung

Auf den Rhyolith-Schlot zu verläuft auch die N-S-streichende Ernsbach-Störung (Abb. 50). Sie versetzt die NE-Apophyse und den Hauptkörper des Nordracher Granits so, dass westlich der Störung der Granit in grobkörniger Kernfazies und östlich davon in feinkörnigerer, vermutlich dachnäherer, Übergangsfazies (vgl. Karte von BOCK 1960) ansteht. Der Teil östlich der Störung scheint relativ abgesenkt zu sein. Unterstützt wird dies dadurch, dass der Buntsandstein den vermuteten weiteren nördlichen Verlauf nach Osten nicht überschreitet. Nach Süden wird die Störung durch das Ernsbachtal und das Nordrachtal markiert. Die N-S-Erstreckung der Ernsbach-Störung lässt eine Entstehung im Tertiär während der Bildung des Oberrhein-Grabens vermuten.

 

13. Diskussion

Die Leptinit-Paragneis-Wechselfolge des Raums Nordrach - Gengenbach wurde als metamorphe, vulkano-sedimentäre Wechselfolge interpretiert. Die straffe, stoffliche Wechsellagerung von Paragneis und Leptinit wird dabei als im wesentlichen primär vulkano-sedimentär angesehen. Die metamorphe Foliation der Gesteine liegt im wesentlichen parallel zu dieser Fläche. Relikte von Sedimentstrukturen, die die primäre Anlage zwingend belegen, wie z.B. Kreuzschichtung oder gradierte Schichtung, konnten allerdings nicht nachgewiesen werden. So könnte auch eine mylonitische Überprägung für die straffe, stoffliche Wechsellagerung verantwortlich sein. Das massige Gefüge der Leptinite wird aber von amöboiden Kornformen dominiert und nicht von Plattenquarzen der Mylonite. Ein ehemals mylonitisches Gefüge müsste also durch Rekristallisation ausgelöscht worden sein. Erschwerend für die Deutung der Wechsellagerung kommt hinzu, dass sich die makroskopischen Gefüge, z.B. Feinlagigkeit und umflossene Klasten, von einerseits Myloniten und andererseits Pyroklastiten und Ignimbriten sehr ähnlich sind.

Das älteste Metamorphose-Stadium mit Kyanit als charakteristischem Mineral ist druckbetont und gehört in die Mitteldruck(MP)-Faziesserie von MIYASHIRO (1973). Kyanit ist in der gesamten Zentralen Schwarzwälder Gneismasse (ZSG) als altes Relikt ebenso wie die kleinen Eklogit-Amphibolit-Körper verbreitet. Dies wird als Ausdruck einer frühen MP-Metamorphose der gesamten ZSG angesehen. Durch die geobarometrische Interpretation des Gleichgewichts von Ca-reiche Granat-Zentren mit Hypersolvus-Alkalifeldspat (3 Mol-% Anorthitgehalt) eröffnet auch für die Leptinite den Druckbereich für eine Eklogitfazies (14-19 kbar). Dieses Modell erweitert die Kenntnis der Metamorphose unter hohen Drücken und unterstützt, falls es richtig ist, die Annahme, dass auch die Paragneise und Leptinite der ZSG unter Bedingungen einer Eklogitfazies metamorphosiert wurden.

Diese Ansicht steht im Gegensatz zu der Interpretation von FLÖTTMANN & KLEINSCHMIDT (1989), die sich die ZSG aus drei Segmenten (Paragneise, Granulite, Eklogite) mit verschiedener struktureller und metamorpher Geschichte vorstellten, die erst vor der LP-Metamorphose zur ZSG verschweißt wurden.

Die Ausgliederung eines diskreten Granulitfazies-Stadiums durch FLÖTTMANN (1988) beruht auf den Orthopyroxen-Plagioklas-Coronen um Granat in Eklogiten (KLEIN & WIMMENAUER 1984) und der Deutung der Paragenese Granat + Mesoperthit + Kyanit als granulitfaziell. Granat + Mesoperthit (=entmischter Hypersolvus-Alkalifeldspat) + Kyanit ist aber auch unter eklogitfaziellen Bedingungen stabil. Die Orthopyroxen-Plagioklas-Coronen müssen nicht ein längeres Verweilen bei ca. 10 kbar darstellen, sondern können eine schnelle Druckentlastung repräsentieren. Somit wäre ein diskretes Granulitfazies-Ereignis nicht unbedingt nötig.

Die großräumige Verbreitung der Paragenese Granat + Mesoperthit + Kyanit im Raum Nordrach-Gengenbach zeigt, dass diese metamorphen Bedingungen nicht auf schmale, tektonisch aktive Zonen oder gar einzelne Phacoid-Körper wie z.B. im Raum Hausach/Kinzigtal beschränkt ist, sondern große Teile der ZSG erfasst hat. In Paragneis-Gebieten der ZSG, in denen die Relikte dieses frühen, druckbetonten Metamorphose-Stadiums bislang fehlen, sind sie wahrscheinlich durch die ausgeprägte Reaktionsfähigkeit der Paragneise für retrograde Prozesse weitgehend durch die karbonische LP-Metamorphose ausgelöscht. Intensive Suche nach diesen Relikten wird sie wahrscheinlich auch dort nachweisen können.

Die Assoziation von Welschensteinach-Oberharmersbach (AWO) innerhalb der ZSG ist durch frühe Andalusit-Relikte und das reichliche Auftreten von Staurolith ausgezeichnet (FLÖTTMANN 1988). Die metamorphe Signifikanz dieser Phasen ist zur Zeit noch unklar, wie auch die Beziehung der AWO zu den benachbarten Paragneisen.

Aus den Untersuchungen im Raum Nordrach ergibt sich, dass von Blatt Gengenbach aus nach SW auf Blatt Lahr-Ost und auf Blatt Zell a.H. zu, also auch in Richtung auf die AWO, die Intensität des statischen Cordieritisierungs-Stadiums (karbonische LP-Metamorphose) abnimmt und das frühe, druckbetonte Stadium noch deutlicher erhalten wurde.

Der genaue Zeitpunkt der karbonischen LP-Metamorphose ist unklar: K/Ar-Alter liegen zwischen 350 und 320 Ma, U/Pb-Alter an Monaziten zwischen 335 und 325 Ma. An ihrer Nord- und Südgrenze überschiebt eine schon abgekühlte ZSG bivergent im Zeitraum 340 - 330 Ma auf ihre niedrigmetamorphen Nachbargebiete, das Saxothuringikum und die Zone Badenweiler-Lenzkirch. Granit-Plutonismus findet im Zeitraum 330 - 300 Ma statt. Für das Untersuchungsgebiet ist klar, dass der Nordracher Granit, der bislang nicht radiometrisch datiert ist, jünger ist als die einhüllenden Paragneise, da es in den Gneisen zu kontaktmetamorpher Andalusit-Bildung kam.

Vergleich mit dem NE-bayerischen Grundgebirge

Nach der Darstellung von WEBER & VOLLBRECHT (1989), FRANKE (1989b) und HANSEN et al. (1989) können in NE-Bayern und Böhmen Grundgebirgs-Areale mit jetzt dominierender, 390 Ma alter Mitteldruck(MP)-Metamorphose (Münchberger Gneismasse, Zone Erbendorf-Vohenstrauß, Zone Tepl-Taus, interpretiert als Decken-Einheiten) und Areale mit jetzt dominierender, 320 Ma alter Niedrigdruck(LP)- Metamorphose (Fichtelgebirge, Moldanubikum s. str.) unterschieden werden. Das 390 Ma MP-Metamorphose-Ereignis ist im Moldanubikum s. str. durch Kyanit-Einschlüsse in Plagioklas reliktisch erhalten.

Decken-Einheiten fehlen in der ZSG. Das MP-Ereignis der ZSG wurde hier dem 480 Ma-Ereignis zugeordnet. In NE-Bayern ist dieses Alter in der Münchberger Gneismasse, der Zone Erbendorf - Vohenstrauß und dem Moldanubikum als metamorphes Ereignis nur untergeordnet nachzuweisen. Das MP-Ereignis NE-Bayerns fand dagegen erst vor 390 Ma statt. Die karbonische LP-Metamorphose ist in NE-Bayern klar zu 320 Ma datiert, in der ZSG aber bisher nur ungenau zeitlich fixiert.

Die MP-metamorphen Deckeneinheiten NE-Bayerns sind lithologisch durch den Reichtum an Metabasiten unterschiedlicher geotektonischer Position (OKRUSCH et al. 1989) charakterisiert. Metabasite spielen in der ZSG nur eine sehr untergeordnete Rolle. Für die Leptinite der ZSG gibt es in NE-Bayern kaum äquivalente Gesteine. Lediglich die 'Epigneise' des Fichtelgebirges kommen für einen Vergleich in Betracht.

Die Unterschiede in Lithologie und zeitlicher Entwicklung zwischen ZSG und NE-bayerischem Grundgebirge sind also beträchtlich. Gemeinsam haben die beiden Gebiete die Abfolge von einem frühen MP- gefolgt von einem karbonischen LP-Metamorphose-Stadium.


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